Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung am 8. April 2019 im Bundestag
Von Dr. Dirk Ulbricht[1]
Zusammenfassung: Der Anlegerschutz sollte bei Crowdinvesting eher weiter ausgebaut als zurückgefahren werden. Es ist aufgrund des Risikos mit Blick auf den Verbraucherschutz nicht nachvollziehbar, warum die Schwelle für die Prospektpflicht für kleinere Projekte angehoben, die Obergrenze für die Investition eines privaten Anlegers über ein Crowdinvesting-Portal pro Emittent bei 10.000 Euro angehoben oder das Angebot auf GmbH Anteile ausgeweitet werden sollte.
Crowdinvesting ist riskant, konzentriert sich auf die ohnehin überhitze Immobilienbranche anstatt neue Unternehmensideen zu finanzieren, und beinhaltet in der Regel erhebliche Nachteile für Verbraucher. Diejenigen Verbraucher, für die vernünftigerweise eine Anlage in ein solches Produkt noch denkbar wäre haben bessere Alternativen. Diejenigen, die sich aufgrund der vermeintlich sicheren Anlage in Beton angesprochen fühlen, sollten sich lieber an weniger riskante, langfristige Alternative wie breit gestreute ETFs halten.[2]
A. Crowdinvesting – Immobilienanlage für jedermann?
Am Ende einer konjunkturellen Aufschwungsphase werden auch Verbraucher unvorsichtig. In dem Glauben, dass die einmal eingeschlagenen Trends sich endlos fortsetzen, lassen sie die Risiken außer Acht. Der Immobilienmarkt boomt, nicht zuletzt mangels alternativer risikoarmer Anlagen wird versucht, in vermeintlich sichere Immobilien zu investieren. Wo das nicht über ein Eigenheim möglich ist, besteht nun neben Fonds auch die Möglichkeit sich mit Crowdinvesting auf moderne Art an Immobilienprojekten zu beteiligen. Da dies über online Plattformen fast direkt mit dem Fundraiser stattfindet, beteiligt man sich so nun auch richtig an den möglichen Gewinnen.
B. Anleger wiegen sich in falscher Sicherheit
Das stimmt nicht. In der Regel dürften dort die Teile von Immobilienprojekten verkauft werden, die von professionellen Anbietern aufgrund ihrer Risiken nicht übernommen werden. Dort kommen eben nicht die Filetstücke ins Angebot. Dass Vorsicht geboten ist, sieht man auch vereinzelt schon an gescheiterten Projekten. Bisher sind bereits – trotz überaus günstigem Marktumfeld im Immobiliensektor – 10 Prozent der Projekte ausgefallen.
C. Die rechtlichen Nachteile sind vielen Anlegern nicht klar
Was viele Anleger nicht wissen – die Anlage hat mit einer Immobilie direkt wenig zu tun – sie werden Anteilseigner bei der Finanzierung und das, ohne wesentliche Mitspracherechte zu haben. Bei der Immobilienfinanzierung handelt es sich meist um Nachrangdarlehen, die bei einer Insolvenz gegenüber anderen Krediten zurückstehen.[3] Bei einer Pleite gehen die Anleger in der Regel leer aus.
D. Für diejenigen, für die Crowdfunding tatsächlich in Frage kommt, gibt es bessere Alternativen
Wie muss ein Anleger vernünftigerweise beschaffen sein? Es kommen nur Personen in Frage, die auch einen Totalausfall bzw. Nachschuss verkraften können. D.h., entweder bereits Menschen mit verhältnismäßig hohem Einkommen oder Vermögen. Gerade diese Personen haben aber auch die Möglichkeit, besser Anlageformen zu finden.
E. Die Übrigen sollten ihre knappen finanziellen Ressourcen besser Nutzen – sonst zahlt am Ende der Staat.
Die Übrigen sollten ihre knappen finanziellen Ressourcen dafür verwenden, ihre Risiken wie Berufsunfähigkeit abzusichern bzw. ihre Altersvorsorge zu bedienen. Investieren sie hingegen in Crowdinvesting, tragen langfristig die öffentlichen Haushalte die Folgen der mangelhaften finanziellen Grundvorsorge. Zu diesem Zweck sind nämlich Crowdinvestingangebote sicher nicht geeignet.
F. Neue unternehmerische Ideen werden kaum gefördert
Da Immobilieninvestments den Großteil der Crowdfunding Möglichkeiten ausmachen, ist auch nicht von einem zusätzlichen direkten Schub für die Wirtschaft auszugehen. D.h., eine Investitionssteigerung in Zukunftsbereiche dürfte eher die Ausnahme bleiben.
[1] Dr. Dirk Ulbricht ist Direktor und Senior Researcher am institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff). Er beschäftigt sich mit Finanzdienstleistung und hat dabei einen Fokus auf finanziell verwundbare Verbraucher. Er ist Projektleiter des jährlich erscheinenden Überschuldungsreports, der die Lage überschuldeter Menschen in Deutschland wissenschaftlich analysiert. Er ist Mitglied des Financial Innovation Standing Committee – CWG der ESMA und der Insurance & Reinsurance Stakeholder Group – IRSG der EIOPA. Dirk Ulbricht hat am ifo Institut für Wirtschaftsforschung und der Ludwigs-Maximilians-Universität in München promoviert und am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung unter anderem zur Konjunkturanalyse, Immobilienmärkten und privater Altersvorsorge geforscht. Er hat bei der Allianz als Führungskraft im Innen- und Außendienst gearbeitet. E-Mail: dirk.ulbricht@iff-hamburg.de.
[2] Ein Exchange Traded Fund (ETF) ist eine passiv gemanagtes Investitionsportfolio dessen Zusammensetzung sich an bestehenden Indizes orientiert und, insofern ein breit aufgestellter Referenzindex gewählt wird, eine kostengünstige Anlage mit einem guten Chance-Risiko-Verhältnis bietet.
[3] https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2017/05/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-4-Evaluierung-Befreiungsvorschriften-Vermoegensanlagengesetz.html.
Lesen Sie hier die ganze Stellungnahme: Prospekthaftpflicht Dirk Ulbricht iff 2019-04-03