MiFID II Evaluation steht an, Zeit für einen kritischen Blick

MiFID II[1] ist das Kürzel für die Überarbeitung der 2007 verabschiedeten Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente [2]. MiFID II wurde am 3. Januar 2018 wirksam. Nun, ein Jahr später, bittet das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Finanzinstitute, Marktbetreiber und Emittenten, aber auch Anleger um einen Bericht über ihre Erfahrungen damit[3]. Das BMF möchte auf dieser Grundlage gemäß des Koalitionsvertrags den Änderungsbedarf identifizieren.

Stattdessen sollte die Bundesregierung lieber einen Richtungswechsel hin zu einem nachhaltigen Ansatz bei der Anlage anstreben. Ein zentrales Element, die Geeignetheit, macht in der aktuellen Form keinen Sinn. Es gibt kein gutes Produkt für eine Gruppe von Verbrauchern. Da muss man schon genauer hinschauen, was in der Breite unrealistisch ist. Ein Basisprodukt wie der Bürgerfonds muss her[4].

Die Lehman-Oma darf sich nicht wiederholen

Ein wichtiges Ziel der MiFID II ist, dass das angebotene Produkt zum Kunden passt. Die Lehman-Oma sollte es nicht mehr geben. D.h., es sollte nie wieder vorkommen, dass insbesondere Kleinanleger hochriskante Produkte kaufen, die sie um ihr Erspartes bringen. Mit MiFID II muss der Anbieter einen Zielmarkt bestimmen und im Rahmen der Geeignetheitsprüfung dokumentieren, dass das Produkt zum Anleger passt. Das hört sich gut an, greift aber zu kurz.

Ein gründliches Finanzkonzept sollte eher über die Geeignetheit entscheiden

Das entscheidende an der Geeignetheit eines Produktes ist, dass es in ein gründlich erarbeitetes Finanzkonzept für den jeweiligen Anleger passt. So kann ein Portfolio, dass ausschließlich aus sicheren Anlageinstrumenten besteht, durchaus riskantere, aber auch renditestärkere Elemente vertragen. Die Geeignetheit für das jeweilig Portfolio, nicht für eine generische Anlegergruppe, sollte im Vordergrund stehen.

Lebenssituation und die Risiken müssen beachtet werden

Geht man eine Ebene tiefer, fängt die finanzielle Bestandsaufnahme bei der Einnahme- und Ausgabesituation an. Sie berücksichtigt einen finanziellen Puffer für unerwartete Ausgaben ebenso wie die Absicherung gegen Risiken und behält langfristige Entwicklungen wie die Geburt eines Kindes im Blick. Erst dann weiß man z.B., ob ein langer Anlagehorizont realistisch ist. Dieser ist für den Erfolg bestimmter Produkte, wie die immer weiter verbreiteten ETF, wesentlich.

Auch die MiFID Geeignetheit wurde bislang nicht erfüllt

Eine von der MiFID hergestellte (Teil-)-Geeignetheit ist vor diesem Hintergrund sogar schädlich. Sie suggeriert eine Sicherheit, die es tatsächlich nicht gibt. Ausgerechnet diese (Teil-)Geeignetheit wurde von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die die Umsetzung der Richtlinie überwacht, bei ihrer ersten Überprüfung Anfang letzten Jahres moniert. [5] Bei 89,6 Prozent der untersuchten Geeignetheitserklärungen fehlte ein qualitativer Abgleich der Eigenschaften des empfohlenen Finanzinstruments mit den genannten Kundenangaben.

Eine passende Beratung ist teuer, viele wollen den Preis nicht zahlen

Das Scheitern selbst dieser eingeschränkten Geeignetheitsprüfung zeigt: Eine gründliche Analyse der finanziellen Lage kostet Zeit und muss von gut ausgebildetem Personal durchgeführt werden, wenn sie erfolgreich sein soll. Für die Summen, die mit Kleinanlegern zu erwirtschaften sind, ist das nicht darstellbar. Unternehmen, die das anbieten, könnten sich aus Kostengründen vom Markt verabschieden. Das auch, da den Verbrauchern selbst der Wert einer gründlichen und unabhängigen Finanzberatung nicht klar zu sein scheint. Dort wo der Preis klar ausgewiesen wird, geht der Kunde selten hin. Die Honorarberatung führt so in Deutschland immer noch ein Schattendasein und bedient eher die vermögenderen bzw. einkommensstärkeren Verbraucher.

Ein staatliches Basisprodukt ist der Ausweg

Anstatt nun hinsichtlich der Geeignetheit nur an der Oberfläche zu kratzen, bietet sich ein anderer Ausweg an. Diejenigen, die sich nicht mit Anlagen beschäftigen wollen oder können, sollten ein sicheres und rentables Basisprodukt wie den Bürgerfonds nutzen können.[6] Dass das geht, zeigt sich nicht zuletzt in Schweden. Um auch hier nicht zu kurz zu greifen und die Risikovorsorge außen vor zu lassen, sollten die wesentlichen Grundrisiken, vor allem die Haftpflichtversicherung oder die Erwerbsminderung staatlicherseits im ausreichenden Maße abgedeckt werden.

Schutz für alle. Eigenverantwortliche Anlage für die, die es möchten

Wer möchte, sollte alle Möglichkeiten bekommen, sein Geld anzulegen und eigenverantwortlich handeln dürfen. Auf der anderen Seite sollten aber die Anleger, die sich nicht intensiv damit beschäftigen wollen oder können, den einfachen Zugang zu einer guten Anlagemöglichkeit erhalten.

[1] Markets in Financial Instruments Directive MiFID II, 2014/65/EU. Sie trat am 3.1.2018 zusammen mit der dazugehörigen Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Regulation, MiFIR, Verordnung (EU) Nr. 600/2014) in Kraft. Der Einfachheit halber wird im Folgenden nur von MiFID II die Rede sein.

[2] Markets in Financial Instruments Directive MiFID I, 2004/39/EG.

[3] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/Konsultationen-zur-EU-Finanzmarktrichtlinie.htm

[4] https://www.iff-hamburg.de/2017/04/20/news-49133/

[5] https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/BaFinJournal/2018/bj_1805.html;jsessionid=8A64A512B6F7FD75573EDFC11A839F1B.1_cid298?nn=7846960

[6] https://www.iff-hamburg.de/2017/04/20/news-49133/