Aus rein fiskalischen Gründen beabsichtigen die Justizminister mit ihrem Gesetzentwurf ärmeren Verbrauchern den Zugang zum Insolvenzverfahren zu verstellen. Während diejenigen, die genug Geld haben, weiterhin von ihren Schulden befreit werden sollen, wenn sie die Prozesskosten aufbringen, sollen die Armen ihre Schulden behalten. Die reichen Überschuldeten sollen weiterhin sechs Jahre von Vollstreckungen verschont und danach von den Schulden befreit bleiben. Die armen Verschuldeten werden in Zukunft acht Jahre lang weiter verfolgt. Danach wird ihnen gnädig eine Verjährungseinrede gewährt, die bekanntlich ja kein Schuldenerlass darstellt sondern die Schulden nur in „Ehrenschulden" umwandelt. Sie dürfen also weiter bezahlen. Angesichts der jahrzehntelangen Diskussion um Gleichheit vor dem Gesetz, den Programmen -vor allem der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen zu gleichem Recht für alle durch Prozesskosten- und Beratungshilfe für Arme stellen diese Vorschläge einen Verfall des Rechtsbewusstseins dar.

Auf einer Fachtagung der Schuldnerberater und Wohlfahrtsverbände sowie Kommunen Anfang November in Köln wurde dieser Vorschlag daher auch einhellig abgelehnt. Neben dem Vorwurf des (Zwei)Klassenrechts wurde vor allem auf die hohen sozialen Kosten dieses neuen scheinbar billigen Modells hingewiesen, das unsere so kostspielige Richterschaft allein für die armen Reichen reservieren will. Dass Zwangsvollstreckungshandlungen längst als psychologische Druckmittel benutzt werden, auch die Verwandtschaft noch auszuplündern, ist zudem den Justizministern offensichtlich nicht bekannt. Sie meinen, wenn nichts zu holen sei, würden die Gläubiger ohnehin nicht vollstrecken und der Arbeitsplatz bleibe unberührt.

Viele Juristen haben einmal ihr Studium mit dem Wunsch nach Gerechtigkeit begonnen. Sie mussten feststellen, dass deutsche Juristen in der Geschichte die Staatstreue, gleichgültig in welchem Regime, meist über das Streben nach Gerechtigkeit stellten. Wenn heute fiskalische Überlegungen über Art. 19 Abs.4 GG gestellt werden, dann ist die Grenze des Erträglichen erreicht. Die alte wie neue Bundesregierung eifern dabei offensichtlich der Bush-Administration nach, die jüngst in den USA das alte Recht der Schuldbefreiung als Recht der Bürger zu einem neuen Anfang ("fresh start doctrine") zu einer Verdienstmedaille umdefinierte, die nur denjenigen gebührt, die durch die Zahlung von Mindestbeträgen an die Gläubiger sich dieses Recht „erkauft" haben. Recht ist damit käuflich. Österreich mit seiner 10% Regel, die USA und nun auch Deutschland zeigen eine merkwürdige Tendenz, die der Europäische Gerichtshof einmal überprüfen wird.

Vielleicht aber gibt es mehr Einsichtige. Rechtsdurchsetzung ist nirgendwo kostenneutral. Auch die Prozessgebühren der Reichen decken die Kosten nicht. Wenn man sparen will, dann bitte dort, wo damit nicht auch das Recht unzugänglich wird.

Lesen Sie dazu auch die Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände: