Ü-Report 2022

Infolge der Covid-19 Pandemie sind bereits viele Haushalte mit erhöhten Energiekosten konfrontiert. Pandemiebedingt kam es in vielen Haushalten zu einem höheren Verbrauch als üblich, die derzeitig stetig steigenden Energiepreise verschärfen die Lage. Im Berichtsjahr 2021 sind in 45,9 Prozent der untersuchten Fälle die Überschuldungssituationen auf Ereignisse zurückzuführen, die von den Betroffenen nur schwer beeinflusst werden können.

„Haushalte mit geringem Einkommen haben kaum Möglichkeiten, mithilfe von Ersparnissen die Preissteigerungen aufzufangen, wurden sie doch in vielen Fällen bereits während der Covid-19-Krise aufgezehrt. Sie können so schnell in eine finanzielle Schieflage geraten“, betont Dr. Sally Peters, Geschäftsführerin des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg. Seit 2006 veröffentlicht das iff zusammen mit Deutschland im Plus – der Stiftung für private Überschuldungsprävention den Überschuldungsreport. Hier wird die Situation der Ratsuchenden von Schuldnerberatungen analy-siert.

Die Veröffentlichung der letztjährigen Creditreform-Zahlen sorgte für großes Erstaunen, denn im Vergleich zum Jahr 2020 sank die Überschuldungsquote um mehr als einen Prozentpunkt auf 8,86 Prozent, das entspricht 3,08 Mio. Haushalten bzw. 6,16 Mio. Personen. Hierbei handelt es sich um den niedrigsten Wert seit Beginn der Auswertungen im Jahr 2004. Dr. Sally Peters warnt hierzu aber: „Die gesunkene Überschuldungsquote sollte nicht als Zeichen der Entwarnung interpretiert werden. Erfahrungsgemäß zeigen sich die Auswirkungen wirtschaftlicher Krisen auf Verbraucherinnen und Verbraucher verzögert. Zudem ist die finanzielle Lage durch die Energiepreise insbesondere für Geringverdiener weiterhin sehr angespannt.“

Arbeitslosigkeit/reduzierte Arbeit ist auch dieses Jahr wieder der am häufigsten genannte Grund, fast jeder vierte Überschuldungsfall (23,44 Pro-zent) ist darauf zurückzuführen. Es folgen Krankheit (11,77 Prozent), Einkommensarmut mit (11,15 Prozent), Scheidung/Trennung (9,45 Prozent) sowie Konsumverhalten (9,02 Prozent) und gescheiterte Selbstständigkeit (8,19 Prozent).

Die größte Altersgruppe unter den Ratsuchenden stellen Personen zwischen 30 und 39 Jahren. Das ist nicht überraschend, denn in diese Lebensphase fällt zum Beispiel auch die Familiengründung, die mit einem erhöhten Finanzbedarf einhergeht. Der Anteil der Ratsuchenden unter 20 Jahren ist mit 1,14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken (2020: 1,37 Prozent), der Anteil der Altersgruppe über 70 Jahren ist mit 3,10 Prozent hingegen gestiegen (Vorjahr: 2,81 Prozent).

Besonders auffällig ist dabei die Entwicklung der Anteile der Ratenkredite. Lag dieser zu Hochzeiten (2009) noch bei knapp 24 Prozent, fiel der Anteil bis zum Jahr 2021 auf 17,42 Prozent. Bei dem Anteil der öffentlich-rechtlichen Gläubiger, ist der entgegengesetzte Trend zu beobachten: Lag der Anteil der öffentlich-rechtlichen Gläubiger 2008 noch bei 10,7 Prozent, machen Forderungen dieser Gläubiger 2021 einen Anteil von knapp 15 Prozent an den gesamten Forderungen der Beratenen aus. „Das ist eine Entwicklung, die wir mit großer Sorge betrachten, denn hier kommt dem Staat eine doppelte Rolle zu: Er ist einerseits Gläubiger, andererseits beeinflusst er durch seine rechts- und sozialpolitischen Vorgaben direkt und indirekt die Situation ver- und überschuldeter Haushalte“, so Dr. Sally Peters

Mit 33,35 Prozent haben die meisten der Beratenen insgesamt Schulden in Höhe von weniger als 10.000 Euro. Bei weiteren 22,02 Prozent der Beratenen liegen die Schulden zwischen 10.0000 und 20.000 Euro. Nur 21,42 Pro-zent haben Schulden in Höhe von mehr als 40.000 Euro.

Der Anteil der Wohnkosten am Einkommen liegt bei Ratsuchenden der Schuldnerberatung deutlich über dem Anteil der Wohnkosten aller Haus-halte in Deutschland. Bei knapp 25 Prozent der Ratsuchenden beträgt der Anteil an den Wohnkosten 31-40 Prozent, bei ca. 22 Prozent sogar zwischen 41 und 50 Prozent. Bei über 10 Prozent der Beratenen liegt der Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen bei über 60 Prozent. Der Anteil der Ratsuchenden, deren Wohnkosten mehr als 40 Prozent des Einkommens ausmachen, liegt mit 47 Prozent weit über den bundesweiten Zahlen. Ratsuchende verfügen meistens über ein unterdurchschnittliches Einkommen. Hinzu kommt, dass Menschen mit finanziellen Problemen große Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu finden und somit ihre Möglichkeiten hohen oder steigenden Mieten auszuweichen, begrenzt sind.

Seit Beginn der Covid-19 Pandemie sind bereits viele Haushalte mit erhöhten Energiekosten konfrontiert. Pandemiebedingt kam es in vielen Haushalten zu einem höheren Verbrauch als üblich, die derzeitig stetig steigen-den Energiepreise verschärfen die Lage zusätzlich. Im Zuge des diesjähri-gen Überschuldungsreports wurde unter Fachkräften der Schuldnerberatung eine Erhebung zu gestiegenen Energiekosten und daraus folgenden Themen für die Schuldnerberatung durchgeführt. Die Frage nach besonders betroffenen Personengruppen bestätigt die Befunde, dass insbesondere Geringverdiener und sozialleistungsbeziehende Personen betroffen sind.

Die, an der Umfrage teilnehmenden Beratungskräfte stellen fest, dass Ratenvereinbarungen bei Zahlungsschwierigkeiten eine Herausforderung sind.  Selbst wenn es zu Ratenvergleichen komme, würden die Versorger häufig hohe Raten verlangen, die wiederum von den Ratsuchenden nicht zuverlässig bedient werden könnten. So kommt es schnell zu einem Teufelskreis. Sind Ratsuchende nämlich dann nicht in der Lage ihren Verpflichtungen nachzukommen, lehnen die Unternehmen Ratenzahlungen mit Hinweis auf bereits nicht eingehaltene Vereinbarungen ab. „Die Covid-19-Krise ist noch immer nicht ausgestanden, da kommt nun mit der Energiepreiskrise – befeuert durch den Ukraine Krieg – gerade auf Armutsbetroffene und Geringverdiener die nächste Katastrophe zu.“, erklärt Dr. Sally Peters. Besonders aussichtsreich ist eine frühzeitige Kontaktaufnahme der Betroffenen mit der Schuldnerberatung. Dies sei wiederum nicht immer der Fall. Insbesondere weil die Schreiben der Versorger für sie unverständlich seien, und aus Scham, auf Beratungsangebote angewiesen zu sein, würden viele Betroffene viel zu spät die Beratungsstellen aufsuchen.

Das Projektteam bestand aus Dr. Sally Peters und Dr. Hanne Roggemann.

Für Rückfragen wenden Sie sich gerne an Dr. Hanne Roggemann unter hanne.roggemann@iff-hamburg.de

Foto: Drazen – stock.adobe.com

 

Der Überschuldungsreport

Der iff-Überschuldungsreport in Kooperation mit der Stiftung Deutschland im Plus ist eine jährlich erscheinende bundesweite Studie zur Situation überschuldeter Haushalte in Deutschland, die Unterstützung der Schuldnerberatungsstellen in Anspruch nehmen. Ziel der Studie ist es, den beteiligten gesellschaftlichen Gruppen aus Politik, Verwaltung und Schuldnerberatung, den betroffenen Haushalten und den An-bietern von Finanzdienstleistungen belastbare Daten zur Verfügung zu stellen, um gemeinsame Lösungen dafür zu finden, dem Überschuldungsproblem entgegenzuwirken und die negativen Folgen von Überschuldung zu verringern.

Der iff-Überschuldungsreport erscheint seit 2006 und wird von einem interdisziplinären Team erstellt. Für den iff-Überschuldungsreport 2022 wurden Daten von Haus-halten untersucht, bei denen die Schuldnerberatung zwischen den Jahren 2008 und 2021 begann. Ausgewertet wurden die anonymisierten Daten 197.007 Haushalten aus 78 Beratungsstellen bundesweit.

Die Ergebnisse bilden damit ein belastbares Bild zur Lage der Ratsuchenden von Schuldnerberatungsstellen ab und schaffen Transparenz für die Ab- und Herleitung praktikabler Handlungsempfehlungen.

Download unter: https://www.iff-hamburg.de/ueberschuldungsreport-ergebnisse/

Das institut für finanzdienstleistungen e. V. (iff) ist ein gemeinnütziges Forschungsinstitut, das seit über 30 Jahren für öffentliche Auftraggeber, Verbraucherverbände und privatwirtschaftliche Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene forscht. Das iff setzt sich seit seiner