Wohnungen werden knapp

Wohnungen in Ballungsräumen werden knapp und unbezahlbar. Immer mehr Menschen wohnen allein, die Ansprüche an die Wohnungsgröße wächst und das Geschäft mit den Wohnungen ob nun bei Miet- oder Hausmaklern oder beim Aufschlag in der Neuvermietung bedroht den sozialen Frieden. Der Staat hat lange weggeschaut und die Mittel zum sozialen Wohnungsbau allmählich abgebaut. Jetzt hört man, dass die Länder die letzten Mittel auch nur dazu benutzten, Altschulden abzutragen. Derweil wächst sich die relative Wohnungsnot in Hamburg, München, Köln oder Frankfurt zum Problem aus. Privaten Geschosswohnungsbau gibt praktisch auch nicht mehr. Das Geschäft sind die Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen, gegen die sich Großstädte (vergeblich) mit vielen bürokratischen Hürden so wehren, wie Kommunen, die fehlende Ausgleichsflächen gegen die Flut mit ein paar Sandsäcken ersetzen wollten.  Es bleibt offensichtlich nur die Zersiedelung mit Einfamilienhäusern in frei gegebenen Wildschweinsiedlungen, für die die Kommunen alle Anforderungen eines kulturvollen Städtebaus abgebaut haben.

Neuer sozialer Wohnungsbau?

Der Wille zu einem guten verdichteten erschwinglichen Wohnen dort in Deutschland, wo man lebt und arbeitet,  braucht nicht nur guten Willen sondern auch innovatives Denken. Das hier viele Ideologien vom generationenübergreifenden  und altersgerechten Bauen die politische Diskussion in letztlich praktisch irrelevante Nischen leitet, wird am besten den jungen Familien bewusst, die das Wohnen heute nicht mehr bezahlen können.

Der Schlüssel liegt in der Finanzierung. Hier haben die Banken in den letzten 50 Jahren nichts Neues und schon gar nicht für den sozial orientierten Wohnungsbau hervorgebracht. Doch es wäre möglich.

Die Idee – Mieter und Staat als Investoren

Das iff hat mit großer Konstanz seit 20 Jahren immer wieder eine Idee propagiert, diskutiert, verfeinert und publiziert, die es wert wäre, aufgenommen zu werden. Es geht um ein soziales Fondsmodell, bei dem die Menschen als Mieter in ihrer Wohnung wohnen, sich als Investoren an ihrer Wohnung beteiligen können und letztlich als Genossen den Gesamtbestand ihrer Wohnungen verwalten können. Praktisch bedeutet dies, dass die Mieter sich an einem Fonds beteiligen können, dem ihre Wohnung gehört und dabei je nach Höhe der Einlage immer weniger Mieter bezahlen, gemeinsam Hauskosten für sich sparen können und jederzeit auch wieder ihre Anteile weiterveräußern können. Man kauft sich somit Quadratmeter der eigenen Wohnung und ist damit verantwortlicher Eigentümer für das Ganze und sozial geschützter Mieter in den eigenen vier Wänden. Das Modell erlaubt es, dass sich Kommunen an Bau oder Erwerb als Anteilsinhaber beteiligen und damit einen Multiplikatoren Effekt für ihr Geld schaffen. Außerdem sinken die Finanzierungskosten, indem Großkredite aufgenommen werden und Fremdkapitalgeber haben die Chance steuersparend einen guten ethisch verantwortlichen Zweck zu verfolgen, wenn z.B. einzelne Wohnungen für Bezugsberechtigte reserviert bleiben. Das Kippen von Stadtteilen wird durch die Mischung verhindert.
 

Finanzinnovationen für die Unterschichten – nein Danke

Rostock

Die Idee wurde mit einem Wohnungsprojekt in Rostock erstmals vollständig durchgerechnet und mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern kurz nach der Wende vorangetrieben.  Es rechnete sich, die Bewohner waren begeistert und hielten so gut zusammen, dass sie sich letztlich sogar das Haus umsonst ergatterten. Gut für die Mieter, schlecht für die Projektidee.

Mieter kaufen ihr Haus – das Modell der Zukunft

Die nächste Stufe ist in dem Buch Reifner u.a. „Mieter kaufen ihr Haus” (rororo) mit einem studentischen Projekt dargestellt worden, bei dem bis aufs kleinste Detail durchgerechnet und entsprechende Excel-Sheets erarbeitet wurden, die deutlich machten – Bauen, Umbauen, Renovieren, Erwerben werden billiger, gerechter, wenn sie in einer Weise kollektiv erfolgen, dass trotzdem jeder einzelne bis zum Individualeigentum aufsteigen kann. Zudem werden Mittel einsetzbar, die bei Mietern als Spargroschen oder in der Altersvorsorge liegen und auf den Finanzmärkten für alles andere als das, was die Mieter brauchen, verwandt werden.

DG Hyp – aber ohne Eigenheimzulage geht nichts

Das Modell gefiel auch der DG Hyp, die mit dem iff und einer Bankerin, die über die US-amerikanische Praxis promoviert hatte, zwei Jahre lang die Idee durchrechnete, diskutierte und sie letztlich für praxisreif hielt. Leider wollte die Bank das System eher bei gruppenorientierten Zahnärzten als bei sozial Schwachen erproben. Das hätten wir noch mitgemacht. Das Aus für die Bank war aber der Staat. Man sah keine Möglichkeit, die damals noch mögliche Eigenheimpauschale, die bekanntlich einige Genossenschaften ja sogar spekulativ an Anleger verkaufen konnten, auch für ein solche soziales Modell zu mobilisieren. Das Gesetz, so das Finanzamt, fördere nur individuelles Eigentum, so dass ein Fondslösung nicht infrage kommt.

Privatisierung an Mieter als Schreckgespenst

Der nächste Schritt bestand darin, dass die Hamburger Stadtentwicklungsgesellschaft die Idee aufgriff und hierfür Geld investierte sowie EU-Mittel gemeinsam mit dem iff in Aussicht bekam. Zwei Wohnblock, die dringend renoviert werden musste für die es aber kein Geld gab, und wo ohnehin die Mieter temporär umquartiert werden mussten, waren dafür vorbereitet. Jetzt kam der Widerstand aus dem Senat. Das Modell käme einer Privatisierung von öffentlichem Wohneigentum gleich und das würde seine Partei nicht mitmachen. Dass Privatisierung an die sozial Bedürftigen vielleicht etwas anderes sein könnte, als wie die von der SAGA betriebenen Verkäufe einzelner Filetstücke an Privatinvestoren, fiel diesem Staatsrat nicht auf. Die Satzung der StEG wurde geändert. Ideen für eine Beteiligung der Mieter am Kapital sollten nicht mehr umgesetzt werden können.

Ähnlich ging es bei der SAGA. Dort führt uns die Leiterin des Bestandes in Jenfeld durch die über 100 Häuschen, für deren Sanierung man kein Geld mehr hatte und, weil einzelne Mietprozesse schon verloren waren, man sich das Geld über Darlehen besorgte, die von der Landesbank mit eher geschlossenen Augen gegeben wurden, weil an den Dachausbau und damit mehr Quadratmeter mitversprochen hatte – ein gängiges Sanierungsmodell, das so lange keinen Bankencrash verursachen wird, wie die SAGA in Staatsbesitz bleibt. Während die Arbeitsebene die Idee unbedingt erproben wollte, schon deshalb, weil man die Mieter, die jetzt 3 Stunden für eine Beschwerde über die ungestrichene Türschwelle benutzen, lieber als Quasi-Eigentümer drei Stunden beim Streichen beobachten wollte, lehnte die Leitungsebene alle grundsätzlich ab. Dass man das Eigentum mit den Mietern teilen und dadurch weniger reich sein sollte, das war in dem bilanztechnischen Spiel um Macht und Einfluss wohl kaum durchsetzbar.

Nicht alternativ genug

Der neue Gegner der Projektidee kam dann unerwartet von den sozialen Wohnungsbaugenossenschaften, die laut EXWOST Bericht der Bundesregierung zum Mietwohnungsbau praktisch kaum noch etwas beitrugen und dringend Modelle brauchten, wie man das reichlich vorhandene Sparkapital ihrer Mieter und Genossen für den Wohnungsbau aktivieren könnten. Doch die Wohnungsbaugenossenschaften haben längst ihren Schwerpunkt auf die interne Verteilung ihres vorhanden Reichtums gelenkt. Glücklich, wer dort wohnen dar, unglücklich, wer nicht. Dabei geht hier vieles (zum Glück?) am Markt vorbei.

Das iff entwickelte die Idee fort und ersetzte die in Verruf gekommene GmbH & Co, KG als Fondsmodell durch eine eingetragene Genossenschaft & Co, KG. Die Genossenschaften sollten die Führungsrolle übernehmen, ihre Erfahrung als Organisator und Verwalter einbringen und ihre gut überwachte Finanztätigkeit nutzen, um das Kapital in der KG zu verwalten. Sie wären zwar selber nicht reicher aber könnten, wie es im Finanzkapital sinnvoll geworden ist, fremdes Kapital steuern. Dies brachte immerhin eine Kooperation mit den Genossenschaften ein, die im EXWOST Projekt der Bundesregierung zu einem neuen Anlauf und einem neuen Gutachten führte. Das Ergebnis wurde einer Expertengruppe der norddeutschen Bundesländer vorgestellt. Sie fand das Modell bestechend und überzeugend. Man solle es verwirklichen. Allerdings, so wandte die Mehrheit ein, passe es nicht zum sozialen Wohnungsbau. Man könne so etwas nicht subventionieren. Allein die Vertreterin aus Schleswig-Holstein wandte ein, wenn man es wolle, könne man doch leicht die Förderrichtlinien ändern.  Man wollte sich wieder melden, doch daraus wurde nichts.

Im Bundesbauministerium hat sich das iff über den Minister seinerzeit Zugang zu den Fachabteilungen verschafft, die keine Anstalten machten, sich mit der Idee, die aus dem sozialer gewendeten shared homeownership in den USA entwickelt wurde, zu befassen. Die Gründe waren sehr handfester Natur. Das iff wurde bereits damit empfangen, dass der Sprecher der Gruppe meinte, man kenne sich doch aus dem Risiko Baufinanzierungsprojekt , in dem das iff dem Ministerium Verschwendung von Milliardenbeträgen in der Bausparsubvention vorgeworfen habe. Auch der Minister könne hier nicht bewirken, das man noch zusammenarbeite.

Das Projekt wurde auch international in Cambridge vorgestellt und erst vor wenigen Tagen erkundigte sich der ehemalige Dean der katholischen Fakultät, ob dies wunderbare Projekt denn nun umgesetzt worden sei.

Was nicht ist kann ja noch werden

Die Zeit dürfte reif sein. Der Wohnungsmarkt braucht Lösungen. Staatskapital ist nicht vorhanden, Eigeninitiative ist gefragt, Städte entarten zu Wohnstätten der Besserverdienenden, die die produktiven Menschen ausgrenzen und sich ihre Zukunft verbauen. Die Zeitungen sind voll von der neuen Idee des Nutzungseigentums, wo man Autos nicht mehr allein besitzen braucht, um stolz auf sie sein zu können, wo man Waschmaschinen teilt und Kinderspielzeug vermietet. Nutzen statt besitzen ist die neue Devise, mit der auch das Elektroauto eine Chance bekäme. Warum nicht beim Wohnen? Das Modell hätte ja sogar den Vorteil, dass die Bewohner selber entscheiden, ob sie ihre Wohnung vollfinanzieren und durch Aufkauf der restlichen Anteile in individuelles Wohneigentum verwandeln wollen oder im kostensparenden Netz der Fondsanteile und des Mietvertrages bleiben wollen. Im aktuellen alles-oder-nichts Prinzip, indem jeder Umzug des Eigentümers exorbitante Vorfälligkeitsentschädigungen sowie Maklercourtage und Grunderwerbsteuern zahlen muss, hat Deutschland mit der niedrigsten Wohneigentumsrate in Europa (43%) zwar einen gesicherten Mietwohnungsmarkt aber kein Potenzial für Neu- und Ausbau.

Literatur

Reifner/Tiffe Innovative Finanzdienstleistungen – Studienfinanzierung, genossenschaftliches Wohnen, Altersvorsorge, umgekehrte Hypothekenkredite Bd. 11 der Schriften des Instituts für Finanzdienstleistungen e.V. Baden-Baden: Nomos 2007 (300 S.)

Reifner/Tiffe Die Einbindung der Immobilie in die staatlich geförderte Altersvorsorge Gutachten für das Deutsche Institut für Altersvorsorge, Köln 2006

Reifner, U. / Pfau, J. Social Banking and Affordable Housing in Germany, in: Frowen, S./McHugh F. , Financial Competition, Risk and Accountability – British and German Experiences, palgrave Houndmills N.Y.  2001 pp 257-291

Reifner, Udo Mieter kaufen gemeinsam ihr Haus: Das Modell der Zukunft, Reinbek: Rowohlt 1997 189 S