SCHROTTIMMOBILIEN VOR DEM HÖCHSTEN DEUTSCHEN ZIVILGERICHT UND KEIN ENDE

Der Verkauf von Schrottimmobilien mit Hilfe von Banken, die an Finanzierung und Provsion verdienten und damit viele kleine Anleger ruinierten, beschäftigt die deutsche Öffentlichkeit, den europäischen Gerichtshof und die Gerichte. Auf einen Widerspruch in diesem Urteil machte uns der Bremer Rechtsanwalt Eberhard Ahr aufmerksam.

Der Bundesgerichtshof wendet trotz aller Kritik durch andere Senate desselben Gerichts sowie des Europäischen Gerichtshofs und der Wissenschaft das Gesetz in einer Weise an, die auch in Zukunft garantieren dürfte, dass mit dem Versprechen an der Haustür, eine gute Altersvorsorge zu erhalten, Verbraucher dazu verleitet werden, Schrottimmobilien zu kaufen und Banken dadurch gefahrfrei Kredite absetzen können, die aus der Substanz der Menschen zurückzuzahlen sind.

Nachdem der BGH erst Widerrufsrechte bei Hypothekenkrediten an der Haustür überhaupt ablehnte, später eine notarielle Vollmacht als Schutzschild gegen verbotene Rechtsberatung ansah, nächtliche Notarbesuche mit Serienbeglaubigungen zu Hause für unbedenklich hielt und in allem sich widerlegen lassen mußte, hat der Bankensenat nunmehr erkannt, dass zwischen Kreditgeschäft und Kauf der Schrottimmobilie aus der Sicht der Bank kein Zusammenhang bestehe, auch wenn der Immobilienvertreter bereits den Kreditvertrag fertig mitbrachte.

Diese Lehren dürften die Richter des Senats auf verschiedenen Seminaren mit Bankenvertretern erläutert haben und dabei übersehen haben, dass Gerichte sich nicht dem Verdacht aussetzen sollten, einseitig die Anbieterseite zu schulen und den Verbraucheranwälten dafür hinterher Urteile wie das folgende zuzustellen:

BGH URTEIL VOM 13. JUNI 2006 – XI ZR 94/05 – EINE NEUE SICHT VOM HAUSTÜRGESCHÄFT

In diesem Urteil hatten die Verbraucher "m 26. April 1996 nach Vermittlung durch einen "Finanz-Coach", der sie ihrem Vortrag zufolge in ihrer Wohnung aufgesucht hatte, eine …formularmäßige Erklärung (an die Bank unterschrieben), in der sie den Wunsch nach einer Immobilien-Finanzierung zu im Einzelnen bezeichneten Konditionen äußerten. (………..) Zur teilweisen Finanzierung dieses Kaufs gewährte die Beklagte den Klägern durch Vertrag vom 30. Mai/10. Juni 1996 im Wesentlichen zu den in der Erklärung vom 26. April 1996 genannten Konditionen ein Darlehen über 186.500 DM, das durch eine Grundschuld gesichert wurde.”

Der Bundesgerichtshof meint, dass es sich hier nicht um ein Haustürgeschäft gehandelt habe, weil ja der Kreditvertrag erst durch die spätere Annahme der Bank zustande komme. Bekanntermaßen sind ja die Unterschriften der Kunden erst Anträge an die Bank, so dass eigentlich niemals ein Vertrag an der Haustür zustande kommt.

Ein Widerrufsrecht gäbe es daher nicht, weil, so wörtlich, "die Verhandlungen in der Haustürsituation am 26. April 1996 für die auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung vom 30. Mai 1996 nicht kausal geworden seien."

Entscheidend ist dann jedoch der folgende Gedanke: Es sein unerheblich, "dass die Erklärung, die die Kläger am 26. April 1996 unterschrieben haben, im Wesentlichen dieselben Kreditkonditionen enthielt wie der spätere Darlehensvertrag,… weil die Erklärung vom 26. April 1996 noch nicht die auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung darstellte (vgl. hierzu Senat BGHZ 123, 380, 392 f.).”

DAS ZITAT DES BGH IST FALSCH – ES GIBT KEINE KONTINUITÄT

In dem zum Beleg ("vgl. BGHZ 123, 380. 392f.") angeführten Urteil vom 26.10.1993, XI ZR 42/93 abgedruckt in NJW 1994, 262, 265 heißt es unter 3. aber noch ganz anders:

„Auch wenn (der Kreditvertrag) erst im Februar 1988 zustande gekommen sein sollte, wäre auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen das Merkmal "bestimmt worden ist" in § 1 Abs. 1 HausTWG erfüllt. …der Kreditantrag (ist) im unmittelbaren Zusammenhang mit den Verhandlungen unterzeichnet worden. … der Antrag enthielt alle wesentlichen wirtschaftlichen Regelungen für den in Frage stehenden Kredit. Infolgedessen unterläge diese Willenserklärung gemäß § 1 Abs. 1 HausTWG dem Widerrufsrecht, das sich auf den später abgeschlossenen Kreditvertrag erstreckt.

Dieses Recht konnte nicht dadurch ausgeschlossen werden, daß die Beklagte die wirtschaftlich gleichen Regelungen, die schon im Kreditantrag vorgesehen waren, in einen Kreditvertrag mit zusätzlichen Bedingungen übernahm und dessen Abschluß zur Voraussetzung der Darlehensauszahlung machte. Das ergibt sich aus dem Umgehungsverbot des § 5 Abs. 1 HausTWG. Denn der mit dem Gesetz verfolgte verbraucherschützende Zweck würde verfehlt, wenn das Widerrufsrecht durch eine derartige Aufspaltung in ein in der Überrumpelungssituation des § 1 HausTWG eingeholtes Angebot und einen später abgeschlossenen, wirtschaftlich identischen Vertrag ausgeschlossen werden könnte.

… Das angefochtene Urteil stellt dazu in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise fest, daß sich die am 7. September 1987 unterschriebenen Erklärungen im Zeichnungsschein und im Kreditantrag gegenseitig bedingten; bei dieser Ausgangslage habe sich die Unterzeichnung weiterer Schriftstücke zu späteren Zeitpunkten für die Kläger als zwangsläufige Folge des bei dem Besuch des Zeugen G. am 7. September 1987 unternommenen ersten Schrittes dargestellt, hinsichtlich derer die vom Zeugen geschaffene Situation fortgewirkt habe. Auf die lange Zeitdauer bis zum Vertragsschluß kommt es unter diesen Umständen nicht an.”

DER MUND DES GESETZES HAT NUR EINE ZUNGE

Es dürfte auch dem Laien auffallen, dass der BGH sich hier nicht kommentarlos für das Gegenteil zitieren kann und damit der Öffentlichkeit eine einheitliche Rechtsprechung suggeriert. Wahrscheinlich hat sein Vorsitzender den Widerspruch den Vertretern der Anbieterseite auf dem RWS Seminar erläutert. Aber auch die Öffentlichkeit möchte wissen, wie man einen bereits feststehenden an der Haustür verabredeten Kreditvertrag, wenn er später auch so geschlossen wurde, einmal als Haustürgeschäft und einmal als kein Haustürgeschäft ansehen kann.

Montesquieu, der Vater der modernen Demokratie, hat die Richter aufgefordert, nur der Mund des Gesetzes zu sein. Er ging damals davon aus, dass das nicht doppelzüngig erfolgt. Es gehörte entsprechend zur richterlichen Kultur, einen Bruch in der Rechtsprechung offen zu vollziehen und dem Publikum zu erläutern, warum man dasselbe Gesetz nun ganz anders aber eben "richtiger" anwendet, weil sich entweder Richter eben auch irren können oder weil unter veränderten Bedingungen das Gesetz seinen Sinn geändert hat und er Wortlaut eine veränderte Interpretation erlaubt. So jedenfalls wird es den Rechtsstudenten vermittelt und Fehlzitate angestrichen.

Jetzt müsste eigentlich wieder der Europäische Gerichtshof angerufen werden und das unwürdige Spiel für Deutschland begänne von neuem. Die andere Alternative wäre ein um die Rechtseinheit besorgter Gesetzgeber oder zumindest ein paar deutliche Zitierfähige Sätze in den Urteilen der Untergerichte, die bisher immer so eine Art Parlament für die Einsichten des BGH waren, die Funktion aber weitgehend vergessen haben.

WER IST DIESER BANKENSENAT EIGENTLICH? – DER AUFTRITT DES SENATS BEI DER SCHROTTIMMOBILIENVERANSTALTUNG AM 2./3.11.2006

Wie kommt es eigentlich zu einer solch auffällig verbraucherfeindlichen Rechtsprechung? Es geht ja nicht um Auslegungsdifferenzen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik urteilt ein Senat des BGH vorbei an Wissenschaft, Literatur und Untergerichte und offensichtlich auch ohne Rücksicht auf seine eigenen vorhergehenden Urteile. Die Zitate und Argumente deuten eine schnelle Feder und wenig Belesenheit an, vergleicht man sie mit den Urteilen des alten 3. Senats. Die wissenschaftlichen Aufsätze sind eher ex cathedra Verkündungen denn rechtliche Erörterungen. Schon der Tatbestand wird so formuliert, dass das Märchen vom sorglosen Steuerspekulaten das Vorverständnis bringt, in dem das Recht eher schmückend wirkt. Sie diese Richter so wichtig, weil man ihren Meinungen auf Seminaren und in der Literatur nicht entrinnen kann? Würden die Verlautbarungen auch abgedruckt, wenn sie ein Assistent vor der Promotion geschrieben hätte? Gerichtsurteile gelten, gleichgültig wie schlecht sie sind und müssen in der Wissenschaft beachtet und veröffentlicht werden. Gilt aber das Gleiche für die außergerichtlichen Meinungen ihrer Urheber?

Ähnlich kritisch mag man die öffentlichen Auftritte sehen. So leitet der Senats-Vorsitzende Nobbe das RWS-Forum Bankrecht 2006 (Teilnahmegebühr 1.380,40 €) am 2./3. 11.2006 im Park Inn Köln City West. Er referiert dort auch eingangs zum "Themenkomplex ‚Finanzierter Erwerb von Grundstücken und Fondsanteilen (‚Schrottimmobilien‘)" . Seine Senatskollegin Frau Mayen folgt um 12.00 mit dem "Verbraucherkredit". Am nächsten Tag ist Herr Schimansky, sein Vorgänger als Senatsvorsitzender dran mit dem brisanten Thema Zinsanpassung. Ein weiterer ehemaliger BGH Richter, Hans-Peter Kirchhof, macht die Insolvenzanfechtung. Einige Syndicusanwälte der Banken runden das Programm ab, in dem die Wissenschaft nur mit den Professoren Schäfer, Mannheim und Habersack, Mainz vertreten ist.

Das Ganze ist wie eine Schulungsveranstaltung für die Spitzen der Bankjuristen für Prozesse gegen Verbraucher aufgebaut. Sind diese Referenten wirklich die Creme der deutschen Rechtswissenschaften, wie es die Festschrift für den vorherigen Senatspräsidenten suggerierte? Wird die zu erwartende Nobbe-Festschrift wieder den Aufsatz eines Senatskollegen präsentieren, der die "soziale Ölverschmutzung" durch den Gesetzgeber im Verbraucherschutzrecht geisselt und ein richterliches und wohl senatstypisches Glaubensbekenntnis zu einer ungeregelten freien Marktwirtschaft statt zum Recht und dem in ihm verankerten Verbraucherschutz ablegt?

Eine solche in demokratischen Ländern seltene einseitge Verortung hoher Richter in rechtspolitische Fronten, die die Anerkennung als wichtige Referenten und Wissenschaftler sucht, mag einigen wie das Märchen von des "Königs neuen Kleidern" anmuten. Die Urteile dieses Senats reflektieren nicht nur ein fast ängstliches Vorverständnis von einer ohne Schutz durch diesen Senat dem Bankrott preisgegebenen Bankenwelt. Sie halten auch der von Josef Esser, der das Vorverständnis der Richter für unausweichlich hielt, dafür aber eine lege artis Begründung und die Kontrolle der Wissenschaft für notwendig hielt, nicht stand.