UNGEKÜNDIGTE KREDITE VERPFFLICHTEN DIE BANK NICHT MEHR?

Merkwürdige Äußerungen der Bundesjustizministerin

In einem Interview mit der Berliner Zeitung vom 8.2.2008 erklärt die Bundesministerin der Justiz: "Wer pünktlich zahlt, hat gar nichts zu befürchten". Sie meint damit die Finanzinvestoren und unzulässigen Zwangsvollstreckungen. Sie weist (zu Recht) darauf hin, dass die geltende Rechtslage ausreichenden Schutz gebe.

Wichtiger aber ist, was die Ministerin damit verschweigt. Es geht weniger um die "pünktlich Zahlenden." Allerdings ist es wohl falsch, dass es hier gar keine Probleme gibt, wenn sie mitteilt, dem Ministerium seien solche Fälle des Missbrauchs auch nicht bekannt. Sie sollte Herrn von Köller von Lone Star glauben, der laut Financial Times Deutschland vom 29.1.2008 bzgl. der von ihm gekauften Kredite ausgeführt hat, dass "der Anteil der Kredite, die voll bedient werden oder bei denen die Schuldner erst seit Kurzem in Rückstand sind, weniger als 20 Prozent (betrage)."

SCHUTZ IN NOT GERATENER VERBRAUCHER IST DAS THEMA

Es geht vor allem um die in Not geratenen Verbraucher, die teilweise bereits unpünktlich gezahlt haben, deren Kredite die Bank aber noch nicht gekündigt hat. Da wir in Deutschland immer noch nicht wie im Miet- und Arbeitsrecht einen Kündigungsschutz für Kredite haben, sind die Verbraucher permanent von Kündigung bedroht. Die Gerichte haben allerdings ein paar Regeln aufgestellt, die etwas Schutz geben allerdings nur wenn auch wirklich gekündigt wurde. Das wird nun alles unterlaufen.

Bisher war hier die Rechtslage klar. Entweder die Bank kündigt und ist ihre Verpflichtungen zur Aufrechterhaltung des Darlehens damit los, kann Zwangsvollstreckung durchführen und natürlich auch zu Inkassozwecken die Forderungen abtreten, verliert aber auch den Zinsanspruch und muss den Kredit zulasten ihres Eigentkapitals wertberichtigen. Ob die Kündigung gerechtfertigt ist, kann der Verbraucher vor Gericht nachprüfen lassen.

Kündigt die Bank nicht und erhält sich damit das Image einer Bank, die Kunden nicht gleich in der Not im Stich lässt, dann läuft der Vertrag weiter und sie kann ihre Verpflichtungen nicht an Heuschreckenfonds los werden.
GEKÜNDIGTE UND UNGEKÜNDIGTE KREDITE – DAS IST DIE UNTERSCHEIDUNG IM GESETZ

Dies aber wird in der Stellungnahme des Ministeriums jetzt geleugnet, wenn sie statt einen Unterschied zwischen gekündigten und ungekündigten Krediten zu machen, nunmehr einen Unterschied macht zwischen "pünktlich bedienten" und "nicht pünktlich bedienten" Krediten, denen man einen im Zivilrecht unbekannten neuen zudem irreführenden Namen gegeben hat, nämlich "notleidende Kredite".

Wer soll bestimmen, wann ein Kredit "Not leidet"? Wie kann sich ein Verbraucher gegen eine solche einseitige falsche Bestimmung der Bank rechtlich wehren? Wo bleibt Vertragstreue und Rechtssicherheit, Frau Ministerin? Soll jeder Verbraucher in Zukunft auch das Recht haben, der Bank mitzuteilen, ab sofort nur noch seine Oma den Kredit zurück, weil die Bank ihre Vertragspflichten etwa durch falsche Effektivzinsangabe, falsche Tilgungsverrechnung, Fehler in der Buchhaltung oder schlicht Unerreichbarkeit verletzt habe und dies den Kreditnehmer an sich zur Kündigung berechtigt hätte?

Vom Justizministerium ist zu erwarten, dass es zumindest das geltende Recht anwendet und keine neuen Rechtsfiguren erfindet, mit denen man es zugunsten zweifelhafter Investoren umgeht.

DAS INTERVIEW LAUT BERLINER ZEITUNG

"Berichte über den Verkauf von Immobiliendarlehen an internationale Finanzinvestoren, die angeblich umgehend die Zwangsvollstreckung betrieben, haben in den vergangenen Wochen bundesweit für Verunsicherung gesorgt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) beruhigt die Eigenheimbesitzer und erläutert ihre Pläne, wie der Schutz der Kreditnehmer weiter verbessert werden soll.

Frau Ministerin, Häuslebauer in Deutschland sind durch Berichte über Kreditverkäufe mit anschließenden Zwangsvollstreckungen beunruhigt. Ist die Sorge berechtigt?

Nein, es gibt keinen Grund zur Sorge und schon gar nicht zur Panik. Wer seine Raten jeden Monat ordentlich zahlt, hat gar nichts zu befürchten. Auch Finanzinvestoren, in der Öffentlichkeit vereinzelt als Heuschrecken bezeichnet, dürfen in diesem Fall nicht plötzlich vor der Tür stehen und die sofortige Rückzahlung des Darlehens verlangen, mit Zwangsvollstreckung drohen oder sie sogar betreiben. Das verbietet die geltende Rechtslage.

Gibt es nach Ihren Erkenntnissen in Deutschland überhaupt Fälle ungerechtfertigter Zwangsvollstreckungen nach einem Kreditverkauf?

Uns sind keine Fälle bekannt, bei denen es trotz ordnungsgemäßer Bedienung des Darlehens zu einer Zwangsversteigerung eines Eigenheims gekommen ist. Wenn das versucht wurde, hatte es nach unserer Kenntnis stets Rückstände bei den Ratenzahlungen gegeben. Dann ist eine Zwangsvollstreckung ein legales Mittel, zu dem auch der ursprüngliche Kreditgeber, etwa die vertraute Hausbank, hätte greifen können, um den ausgezahlten Kredit zurückzuerhalten.

Eine Schlüsselstellung beim Schutz des Kreditnehmers hat offenbar die sogenannte Sicherungsabrede.

Ja. Wenn ein Haus auf Kredit gekauft wird, lässt sich die Bank üblicherweise als Sicherheit eine Grundschuld in das Grundbuch eintragen. In der zusätzlichen Sicherungsabrede wird dann vereinbart, dass die Bank die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld nicht betreiben darf, wenn der Kreditnehmer die Raten wie vereinbart zahlt. Wenn die Forderung verkauft wird, wird zwar die Sicherungsabrede nicht automatisch auf den Käufer mit übertragen. Der Häuslebauer kann sich aber kraft Gesetzes auch gegenüber dem neuen Finanzinvestor darauf berufen. Dieser kann dann auch nicht behaupten, er wisse nichts von der Sicherungsabrede. Denn über den Inhalt der Abrede muss die veräußernde Bank den Investor beim Kreditverkauf informieren. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Finanzinvestoren sind allerdings dafür bekannt, rabiat vorzugehen. Was passiert, wenn nun doch eine Zwangsvollstreckung versucht wird.

Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass man mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert wird. Das kann einem leider in allen möglichen Lebensbereichen passieren. Würde der Investor trotz der ihm bekannten Abreden eine Zwangsversteigerung versuchen, können sich die Betroffenen mit einer sogenannten Vollstreckungsgegenklage vor Gericht zur Wehr setzen. Damit die unberechtigte Vollstreckung während des laufenden Gerichtsverfahrens nicht einfach weiterläuft, kann die Zwangsversteigerung zudem in einem Eilverfahren sofort vorläufig gestoppt werden.

Dennoch scheint die Sicherungsabrede kein ganz klares Instrument zu sein. So fordert Unionsfraktionsvize Michael Meister, Kredit und Grundschuld stärker aneinander zu binden. Warum wird das nicht getan?

Ich bin offen dafür, die Situation der Schuldner weiter zu verbessern. Zur Klarstellung ist vorstellbar, gesetzlich festzuschreiben, dass sich der Erwerber einer Kreditforderung an die Sicherungsabrede halten muss. Zwar ergibt sich das – wie gesagt – schon aus der Rechtsprechung, wäre aber meiner Meinung nach eine sinnvolle Klarstellung. Wir prüfen jetzt, ob und wie sich das umsetzen lässt.

Sie haben eine Reihe weiterer Schutzmaßnahmen angeregt. Worum geht es Ihnen konkret?

Wir haben vorgeschlagen, die Banken zu verpflichten, auch nicht abtretbare Darlehen anzubieten. Das wäre ein Angebot an diejenigen, die ganz sicher gehen wollen. Allerdings hat uns die Wirklichkeit schon überholt. Einzelne Banken haben nunmehr entsprechende Angebote aufgelegt. Einige davon verlangen dafür unserer Kenntnis nach einen leichten Aufpreis beim Zins von 0,05 bis 0,2 Prozentpunkten.

Die Union setzt in diesem Punkt ohnehin auf Freiwilligkeit und würde einen Zwang nicht mittragen.

Ich bin immer dafür, auf Zwang zu verzichten, wenn bestimmte Verpflichtungen freiwillig erfüllt werden. Wenn es tatsächlich genügend Angebote am Markt gibt, würde ich auch bei diesem Punkt von einer gesetzlichen Regelung absehen. Das müssen wir uns anschauen.

Sie schlagen auch vor, den Kündigungsschutz bei Immobilienkrediten zu verbessern. Wie soll das geschehen?

Nur bei Verbraucherkrediten gibt es derzeit eine Regelung, nach der das Darlehen erst kündbar ist, wenn der Zahlungsrückstand einen gewissen Prozentsatz der Darlehenssumme erreicht hat. Das wollen wir bei den Grundstücksdarlehen auch so regeln. Das heißt konkret: Bei Laufzeiten von über drei Jahren wäre eine Kündigung erst möglich, wenn der Darlehensnehmer mit fünf Prozent der gesamten Kreditsumme in Verzug ist.

Die Kreditwirtschaft hält das für viel zu hoch und rechnet vor, dass ein Kreditnehmer damit zehn Monatsraten im Rückstand sein kann.

Das ist je nach Zinssatz denkbar. Über die Höhe des Prozentsatzes, mit dem der Kreditnehmer vor einer Kündigung in Verzug geraten muss, lässt sich reden. Wir werden einen fairen Ausgleich finden.

Aus der SPD-Fraktion kommt die Forderung, im Falle eines Kreditverkaufs ein Sonderkündigungsrecht ohne Vorfälligkeitsentschädigung einzuräumen. Sie haben sich das nicht zu eigen gemacht. Warum?

In der SPD besteht Einigkeit, dass wir die Rechte der Kreditnehmer stärken wollen. Wir wollen dabei sicher gehen, dass sich die Kredite insgesamt für die Verbraucher nicht verteuern. Denn damit wäre keinem gedient.

Das Gespräch führten Sigrid Averesch und Timot Szent-Ivanyi.

Berliner Zeitung, 08.02.2008"