Report zeigt teure Schulden

  • Forderungen werden durchschnittlich 18 Prozent Verzugs- und Rechtsverfolgungskosten zugeschlagen
  • Deutlicher Anstieg der Überschuldung in der Altersgruppe 50+ sowie bei Bürgerinnen und Bürgern ohne deutsche Staatsangehörigkeit
  • Krankheit und deren Kosten haben sich als Auslöser für Überschuldungssituationen weiter manifestiert
  • Anstieg der Schulden bei öffentlich-rechtlichen Gläubigern

Hamburg, 21.10.2013 – Das Hamburger institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) stellt heute der Öffentlichkeit den Überschuldungsreport 2013 in Zusammenarbeit mit der Stiftung „Deutschland im Plus” vor. Erstmals werden Verzugszinsen und Kosten der Rechtsverfolgung gesondert ausgewiesen, die bei einigen Anbietern im Schnitt 43 Prozent der Forderungen ausmachen und in Einzelfällen noch höher ausfallen. Trotz der konjunkturellen Erholung und des zu beobachtenden Rückgangs der Verbraucherinsolvenzverfahren steht für die Autoren des Überschuldungsreports fest, dass das Thema Überschuldung weiterhin hoch aktuell ist. Zu den „Big Five” der Hauptauslöser für Überschuldung gehören nach wie vor Arbeitslosigkeit (29,1 Prozent), Scheidung oder Trennung (13 Prozent), falsches Konsumverhalten (9,3 Prozent), gescheiterte Selbstständigkeit (10,5 Prozent) und Krankheit (10,2 Prozent).

    • Das durchschnittliche Alter der Überschuldeten lag im Jahr 2012 bei 41 Jahren. Lediglich 5 Prozent der Ratsuchenden waren zum Zeitpunkt des Beratungsbeginns 21 Jahre oder jünger, weitere 5 Prozent 64 Jahre oder älter. Neun von zehn überschuldeten Personen waren damit zwischen 21 und 64 Jahre alt. Zudem sind folgende gegenläufige Bewegungen bei den 35- bis 50-jährigen Personen auf der einen Seite und bei den Älteren über 50 auf der anderen erkennbar: So machte die erstgenannte Gruppe mit zusammen über 44 Prozent im Jahr 2005 noch den mit Abstand größten Anteil der Ratsuchenden aus, lag im Jahr 2012 aber nur noch bei knapp 38 Prozent (Faktor: 0,86) und damit auf einem Niveau mit den jüngeren Altersklassen. Umgekehrt stieg der Anteil der Älteren unter den Ratsuchenden von knapp 19 Prozent im Jahr 2005 auf knapp 27 Prozent im Jahr 2012 (Faktor: 1,41). Überschuldung ist somit im Jahr 2012 bedingt durch einen deutlichen Anstieg der Überschuldungfälle in der Altersgruppe 50+, im Durchschnitt älter geworden. Überdies kam es in den letzten Jahren ebenso zu einem Anstieg der Überschuldung bei Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Diese machten fast 18 Prozent der Klienten aus. Mit 16,1 Prozent machten die Alleinerziehenden zwar nicht den größten Anteil unter den Haushaltsformen aus, waren aber vergleichsweise – wie in den vergangenen Jahren – am stärksten von Überschuldung betroffen. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass Bildungslücken zu Nachteilen auf dem Arbeitsmarkt, Armut und in Folge zu Überschuldung führen. So lag im Jahr 2012 der Anteil der überschuldeten Personen, die eine Schuldnerberatung aufsuchten und zugleich keine abgeschlossene Berufsausbildung hatten, bei etwa 45 Prozent. Der Anteil derjenigen mit abgeschlossenem Hochschulstudium hat sich in den Beratungsstellen hingegen nur leicht erhöht, von 2 auf 3 Prozent im Jahr 2012. Personen ohne abgeschlossene Berufsqualifikation sind damit um den Faktor 1,7 bei den Überschuldeten überrepräsentiert, Akademiker und Personen in Ausbildung bei den Klienten der Beratungsstellen um den Faktor 0,2 unterrepräsentiert. Christiane Decker, Vorsitzende des Stiftungsvorstands „Deutschland im Plus” erklärt hierzu: „Dieses Ergebnis weist mit Nachdruck darauf hin, wie wichtig Bildung und damit auch Finanzielle Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe geworden ist.”

    • Obwohl das Thema Überschuldung nach wie vor aktuell ist, konnte im Jahr 2012 dennoch bei den sogenannten „Krisenüberschuldeten” eine erneute Abnahme festgestellt werden. Gerade in diesem Zusammenhang scheint sich die bis zum letzten Quartal 2012 andauernde positive Entwicklung am Arbeitsmarkt in der gesunkenen Zahl der eröffneten Verbraucherinsolvenzen widerzuspiegeln. Letztere nahm weiter ab, von 101.075 im Jahr 2011 auf 95.560 im Jahr 2012. Dies entspricht einer Reduzierung um etwa 5,5 Prozent. Die Erfolge beim Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung haben zum Abbau unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und damit zu einer Abnahme der Krisenüberschuldeten beigetragen. Auch die Bedeutung eines falschen Konsumverhaltens als Auslöser für eine finanzielle Krise hat weiter abgenommen. In nur noch etwas mehr als 9 Prozent wurde dieser Aspekt als Hauptgrund genannt, in nur noch gut 14 Prozent als einer von mehreren Gründen. Hingegen hat sich Krankheit als Auslöser für Überschuldung weiter manifestiert. Fazit: Die „Big Five” Arbeitslosigkeit, Scheidung, gescheiterte Selbstständigkeit, Krankheit sowie falsches Konsumverhalten waren damit auch im Jahr 2012 mit 72,1 Prozent Hauptauslöser für Überschuldung und finanzielle Krisen.

    • Die durchschnittlichen Forderungen der Gläubiger (und zwar inklusive der von den Gläubigern verlangten Verzugszinsen und sonstiger Kosten) kletterten von 32.631 Euro im Jahr 2011 auf 34.932 Euro im Jahr 2012. Verzugszinsen und Kosten liegen nun bei durchschnittlich 5.278 Euro, entsprechend 18 Prozent der Hauptforderungen. Der Anstieg bei den durchschnittlichen Forderungen von relativ etwa 7 Prozent, korrespondiert mit der Entwicklung der durchschnittlichen Höhe der Restschuld bei Konsumentenkrediten, welche die SCHUFA veröffentlicht (2011: 8.627 Euro, 2012: 9.190 Euro). Demgegenüber verharrte der Medianwert, also die typische Schuldenhöhe die den mittleren Wert aller Schuldenhöhen anzeigt, bei 17.338 Euro (2011: 17.789 Euro). Auf Banken entfielen im Schnitt 16.261 Euro und damit fast 47 Prozent der Gesamtforderungen. Deren Bedeutung hat, nachdem sowohl die Anteile als auch die Höhe im Jahr 2011 zwischenzeitlich auf 45 Prozent (14.601 Euro) gesunken waren, wieder zugenommen. Auch bei der nach den Banken mittlerweile wichtigsten Gläubigergruppe zeigen sich deutliche Veränderungen. So erreichten die Forderungen der öffentlichen Hand mit 17,7 Prozent aller Forderungen (6.168 Euro) im vergangenen Jahr ihren Höchststand. Knobloch merkt zu den Verzugskosten an: „Die Belastung der Betroffenen mit solchen Kosten hängt neben dem eigenen Verhalten auch stark von den einzelnen Gläubigern ab. So reicht die Kostenbelastung bei den verschiedenen Gläubigergruppen von 2 bis 43 Prozent. Zudem sind die Jüngeren, die Ärmeren und diejenigen mit einer vergleichsweise niedrigen Bildung überdurchschnittlich mit Verzugszinsen und Kosten belastet. Hier würde es sich lohnen, die Gründe der von uns festgestellten Unterschiede näher zu erforschen und die Ergebnisse zu diskutieren.”

  • Auch wenn die Bedeutung eines falschen Konsumverhaltens als Ursache für Überschuldung abgenommen hat, ist für Dr. Christiane Decker die Vermittlung von Finanzwissen wichtig wie eh und jeh: „Im Hinblick auf Schuldenprävention muss die Förderung einer grundlegenden Finanzkompetenz – idealerweise bereits in jungen Jahren, weiterhin konsequent ausgebaut werden. Denn Finanzkompetenz betrifft nicht allein das Konsumverhalten, sondern darüber hinaus auch die Fähigkeit, Krisensituationen meistern zu können, die zur Verfügung stehenden Hilfen richtig und effizient zu nutzen und hierzu auch geeignete von ungeeigneten Produkten unterscheiden zu können. Ein gutes Beispiel dafür sind die Karenzzeiten, also die Dauer, die Überschuldete brauchen, bis sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Der Report zeigt hier große Unterschiede zwischen verschiedenen Personengruppen auf – mit deutlichen Hinweisen auf die Bildung. Mit der Vermittlung solcher Fähigkeiten kann man also nicht früh genug anfangen. Die Stiftung ´Deutschland im Plus´ hat sich deshalb insbesondere die ´Finanzielle Bildung´ der Jugend auf die Fahnen geschrieben.”

    Über den Überschuldungsreport:

    Seit 2007 erstellt das Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen jährlich den iff-Überschuldungsreport, der auf einer detaillierten Auswertung von rund 12.000 Einzelfällen, die eine Schuldnerberatungsstelle aufsuchen, basiert. Die Erstellung des Berichts wird von der Stiftung „Deutschland im Plus” gefördert.

    Ansprechpartner für die Medien:

    Zum Überschuldungsreport:
    Michael Knobloch
    Tel. 040-309691-0
    E-Mail: michael.knobloch@iff-hamburg.de

    Zu den Aktivitäten der Stiftung „Deutschland im Plus”:
    Ute Scharnagl
    Tel. 0911-5390-1030
    E-Mail: info@deutschland-im-plus.de