Im Folgenden findet sich die Stellungnahme von Prof. Dr. Udo Reifner zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-UmsG, BT-Ds. 17/4510) anlässlich der öffentlichen Sachverständigenanhörung des Bundestagsausschusses für Finanzen am 23. Februar 2010:

Investmentfonds müssen vor ihren Betreibern und Nutzer sowie Wirtschaft vor ihrer reinen Geldorientierung geschützt werden

(1) Investmentfonds sammeln meist über Banken das Geld privater Anleger, die selber keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben, ein, streuen das Einzelfallrisiko einer Aktie durch Vermischung (Pooling) und investieren das gesammelte Kapital zur Erzielung von höheren Renditen in die Wirtschaft. Sie erfüllen damit traditionelle Aufgaben von Banken (Sparen und Kredit) haben jedoch für die Gemeinschaft zwei Probleme:

  • Sie können als Kapitalsammelstelle die Sparer/Anleger durch Verlust oder Zurückhaltung der eingezahlten Gelder schädigen, wenn sie das Geld verspekulieren (z.B. aktuell offene Immobilienfonds), mit Krediten aufblasen (Hebeleffekte), über Provisionen (kick-back) und Verwaltungsgebühren (churning) sich am Kapital gütlich halten oder durch Verschiebungen und „Verschmelzungen (Verkäufe, Master- Feederkonstruktionen), Risiken von schlechten Fonds übernehmen oder aber ihrer Mutterbank zur Bilanzentlastung schlechte Papiere abkaufen.
  • Sie können als Investoren Unternehmen und Staat in der Realwirtschaft schädigen, soweit sie in einer kurzfristigen provisionsgetriebenen Profitgier nachhaltiges Wirtschaften beeinträchtigen, Einheiten zerschlagen und Abhängigkeit von reinen Geldinteressen ohne Rücksicht auf den volkswirtschaftlichen Nutzen vermitteln. („Heuschreckenfonds”)

Die geschachtelte Verbriefung durch das Einmischen von Optionen, Futures sowie In-Sich-Beteiligungen (Strukturierung) mit Nominalgewinnen entfernt Investoren von ihren Anlageobjekten und belastet den Kapitalbedarf der Wirtschaft mit sachfremder Gier. Kursmanipulationen zugunsten ihrer Mutterbanken sind denkbar, wo sie ihre geballtes Kapitalvolumen konzentriert für Käufe oder Verkäufe nutzen. Beiden Problemen wird weltweit mit einem verstärkten Verbraucher-/Anlegerschutz durch eine wenig erfolgreiche Informationspolitik („Informationsflut”) und eine prudentielle Finanzaufsicht („Interessenkollision”) bzw. eine weit erfolgreichere Haftung für Verluste über die Gerichte (Beratungsverschulden/class action) sowie einer verbesserten nahe an der Realwirtschaft operierenden Finanzaufsicht (safety and soundness) sowie Marktverhaltensregeln begegnet. Das „Fünfte Finanzmarktfördergesetz“ dereguliert weiter den deutschen Finanzmarkt

(2) Der vorliegende Gesetzentwurf

  • verringert die deutsche Aufsicht, indem er nach den Fonds nun auch deren Verwaltung sowie die grenzüberschreitenden Portfolioverwaltung durch Sitzverlegung in Ausland erlaubt und damit ohne Prüfung von Kompetenz, Ausstattung und Aufsichtswille sie der Aufsicht von Drittländern (§ 1 S.1 Ziff. 2 InvestG) anvertraut (Art. 5 InvestRiLi 2009 „single passport”), die an dieser Beaufsichtigung kein Interesse haben und zudem fiktiv als gleichwertig angesehen werden.
  • baut Anlegerrechte ab, indem er ihre verfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte bei Schuldnerwechsel (§ 415 BGB, Art. 14 GG BVerfGE zu §14 VAG) durch ein Kündigungsrecht oder Informationen ersetzt (§§ 40e („Fondsverschmelzung”), 45f – g („Verschmelzung/Spaltung von Masterfonds”) InvestG).
  • erlaubt mehr Risikoaufnahme durch reine Finanzbeteiligungen und In-Sich-Geschäfte mit möglichen In-Sich-Geschäften („Master-/Feeder-Strukturen”, „Die Entwicklung von Anlagemöglichkeiten eines OGAW in OGAW und in andere Organismen für gemeinsame Anlagen sollte erleichtert werden.“ (Ziff. 39 der RiLi Erläuterungen“) sowie hohe Risikopositionen bei sog. Mikrofinanzfonds mit bis zu 90% unverbrieften Krediten (§ 90h Abs.7 InvestG),
  • erlaubt Hebeleffekte, nutzt nicht die Möglichkeiten erhöhten Verbraucherschutzes sowie der Einschränkungen für Leerverkäufe etc. in der Richtlinie.

(3) Der vorliegende Entwurf zieht damit Schlüsse aus der Finanzmarktkrise, die die das in Frankreich in Millionenauflage verkaufte Buch des 93jährigen Hessel „Empört Euch“ (S. 20) wie folgt beschreibt: „Das im Westen herrschende Maximierungsdenken hat die Welt in eine Krise gestürzt, aus der wir uns befreien müssen.Wir müssen radikal mit dem Rausch des ‚Immer noch mehr‘ brechen, in dem die Finanzwelt, aber auch Wissenschaft und Technik die Flucht nach vorn angetreten haben.“ Tausende von Anlegern wurden enteignet, Hypothekenkreditnehmer überschuldet, dem Bund sowie Bundesländer wie Bayern, Sachsen, NRW, Hamburg und Schleswig Holstein Milliarden zur Stützung ihrer Banken aufgebürdet, Kommunen wurden schwer geschädigt und Stadtkämmerer, die auf gute Beratung, funktionierende Aufsicht und ein angemessenes Regelwerk vertraut hatten, vor die Strafgerichte gebracht. Grund war die Deregulierung der Finanzmärkte und der Abbau der jahrtausendealten Wucher- und Wettverbote im Recht sowie die Kompetenzverlagerung bei der Aufsicht auf ausländische Nachtwächter-Institute durch die sog. „Finanzmarktfördergesetze” I – IV u.a. auch die OGAV (I) Richtlinie.

Das vorliegende Umsetzungsgesetz von OGAV IV setzt diese Bemühungen ungehindert fort, ohne dass wie etwa in Frankreich und den USA der Staat die Ursachen der Krise in einer Kommission untersucht und sein Versprechen, den Staatsgeldern rechtliche Grenzen für Wucher und Spekulation folgen zu lassen, Konturen gegeben hätte. Stattdessen wird ohne Bezug zur Krise eine Richtlinie aus dem Jahre 2009, die ausdrücklich ohne Abstriche und Veränderungen auf die Grünbücher der Kommission im Jahre 2005 zurückgeht, mit dem Effizienzargument umgesetzt

Die gesamte Stellungnahme ist hier als pdf zum Download angehängt.