Kapitalertragssteuerflucht
Staatsanwälte, Kriminalbeamte und Verbraucherschutz sind sich einig – der deutsche Volkssport Steuerhinterziehung hat seine Grenzen dort, wo große Vermögen mit der Hilfe von Profiteuren in der Schweiz den Staat zwar extensiv benutzen, ihm jedoch die Zahlung der Steuern vorenthalten.
Betroffen sind die Reichen und Schönen, wie das Beispiel eines Bayern Managers deutlich macht, der statt Lotto zu spielen für 15 Mio. Spielgeld, das er von Adidas bekommen hat, sich auf den Finanzmärkten vergnügte. Dass sich nun der Boulevard ebenso auf ihn stürzt wie er sich auf den von uns analysierten Fall zum Altbundespräsidenten Wulff oder Post-Chef Zumwinkel stürzte, folgt einem Motto: die Person wird geopfert, das System bleibt erhalten. Dabei sollte man Steueroasen austrocknen, Bankvorstände, die ihren Privatkunden systematisch die Steuerhinterziehung organisieren, als Beihelfer zur Rechenschaft ziehen, die Reichen statt höher einfach nur genauso effektiv wie die Armen besteuern, die willkürliche Begünstigung und Korruption der Politiker und Promis durch Sonderzinskonditionen der Banken offenlegen und bekämpfen und das Steuersystem auf einer einfachen durchgehenden Progression aufbauen, Steuern als Forderung zulassen, die erst bei Liquidität fällig sind, um keine Unternehmungen zu zerschlagen. Jedem müsste dadurch klar werden, wo Finanzdienstleistungen aufhören und der Betrug beginntnfängt.
Doch das wird nicht gewollt, weil die Reichen und Schönen in unserem Staat besser vertreten sind, als es ihre Kopfzahl zulässt. Die Opposition aus Grünen, SPD Linkspartei überschlägt sich in der Erhöhung der ohnehin nicht realisierten Reichensteuer, stimmt aber zu, wo die Einkommen aus arbeitslosem Einkommen durch neue Leistungsschutzrechte auf fremde Schöpfungen ausgeweitet werden. Wenn sie regieren, werden sie den Armen wieder die Information und den Reichen das Kapital lassen, allerdings das Motto „Arm gegen Reich“ propagieren. Das ging noch nie gut, weil man entweder in der Regierung die Gewinne von heute als Arbeitsplätze von morgen entdeckt, erpressbar wird oder aber einige Arme so reich macht, dass das Problem sich nur verschiebt. Das System der Vorteile für die Reichen fußt auf den Miliarden, die für die Sicherung von Geldvermögen aus der Staatskasse beim Eigentumsschutz aufgegeben werden, die als Gläubigerhilfe für deutsche Banken wg Griechenland etc. verkauft wird, setzt sich fort bei der Zinssatzdiskriminierung, der Vertauschung von steuerpflichtigem Vermögenszuwachs und Konsum und endet bei steuerfreien frei definierbaren Betriebs- und Berufsausgaben oder gar Investitionsanreizen.
Amnestie als Steuerabkommen verkleidet
Der Bundesfinanzminister und bis dahin wohl auch sein Vorgänger und jetzige Oppositionsführer wollten seit langem eine geräuschlose Bereinigung der seit Jahrzehnten bekannten Steuerhinterziehung mit HIlfe der Schweiz schaffen. Man wusste seit langem, dass jährlich weniger als 10 Mrd. Kapitalertragssteuer bei einem Geldvermögen von 4 bis 8 Billionen in Deutschland gegenüber den 131 Milliarden, die man in der Lohnsteuer zwangsweise und häufig auch zu viel einzieht, ein Hohn sind. Doch erst Datendiebstahl und die aufgedrängte Hilfe von eigennützig handelnenden Geheimnisverrätern für die Staatsanwaltschaften führten zu einem öffentlichen Druck, der bei NRW und nun Rheinland-Pfalz zum Ankauf der CDs führte und bei dem Bayern erst jetzt sich an den Ankaufkosten beteiligt.
Das Steuerabkommen mit der Schweiz sollte, wie es die Experten im Bundestag (mit Ausnahme der handverlesenen Interessenvertreter) offen aussprachen, eine Amnestie für Steuerhinterzieher schaffen. Damit nicht genug sollte der Staat, der jeden Parksünder erfasst, sich auch noch verpflichten, die Steuerverbrecher (so nennt §12 Strafgesetzbuch diejenigen, die mit mehr als 1 Jahre Strafe rechnen müssen, wie es bei Hinterziehung von mehr als 1 Millionen Steuern Rechtsprechung ist) zu übersehen. Außerdem sollten sie die Möglichkeit haben, unerkannt in andere Länder zu fliehen. Auch wollte man ihnen wie bei der unsäglichen Steuerhalbierung durch CDU und SPD mit der Abgeltungssteuer 2009 (25% statt 45%) die Steuer erlassen. Wenn Verbrechen sich lohnen soll, kann man kein besseres Gesetz machen.
Geldgier des Staates: besser 10 Mrd. als gar nichts
Doch der Zweck heiligt die Mittel, sagt die CDU 500 Jahre nach den Inquisitionsprozessen. Man bekäme schließlich 10 Mrd. in die Staatskasse (von geschätzten 80 Mrd. aus hinterzogener Versteuerung der Zinsen.) Die Rechnung geht schon wirtschaftlich nicht auf. Das neue Abkommen verbietet ja nicht, es in der Schweiz mit Geheimhaltung seiner Identität zu versuchen. Es bedeutet nur, dass es in Zukunft ein kleines Risiko mehr gibt, das man als Deutscher entdeckt wird. Das Spiel lohnt sich weiter. Doch auch dieses Windhundprinzip ist nicht so abwegig, wenn wir sehen, wie Radarfallen im Verkehr willkürlich aufgestellt werden. Der Staat kann nicht alles überwachen. Er muss abschrecken und wirtschaftlich handeln.
Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen
Doch Abschreckung ist gar nicht geplant. Die CDU/CSU dreht den Spieß um. Bist Du ein so mächtiger Verbrecher, dass wir Dir nicht beikommen können, so reicht (Schmier)Geld als Sühne. Auch das ist noch hinnehmbar. Einstellung des Verfahrens gegen Geldbuße kennt auch die Staatsanwaltschaft. Doch es gibt hierfür Regeln und die Täter werden genannt. Bei der Steuerhinterziehung soll es nun gerechter sein, dass überhaupt etwas bezahlt wird statt dass alle sich verweigern.
Hier wird der Politiker unerträglich. Geld bekommen entschuldigt alles. Man ist an die Ehegattenbeschäftigung auf Staatskosten für CSU-Minister erinnert. Dann wäre es aber ehrlicher zu bekennen, dass man Geld braucht und um es zu bekommen zu allem bereit ist. Eine solche Geldgier kennen wir. Sie ist nichts Besonderes und in der Privatwirtschaft ehrenwert. Für den Staat ist sie zumindestens gewöhnungsbedürftig.
Aber bitte sagt nicht, das ihr für die Menschen Gerechtigkeit wollt. Der angezeigte Ladendieb, der Bettler, der etwas gestohlen hat, der Bankkunde, der bei Kreditaufnahme nicht die Wahrheit gesagt hat, der Kleingewerbetreibende, der Schwarzarbeiter beschäftigte, der gemeinnützige Verein, der wie wir unentgeltlich auf dem Internet Zeitungsartikel ausstellte – sie alle verfolgt ihr mit der Macht des Gesetzes und dem größten Teil eurer Kapazitäten, auch wenn der Ertrag für den Staat minimal und die sozialen Folgen oft verheerend sind. Eigentum und Vermögen auch dieser Steuersünder wird minutiös geschützt, was uns mit der Bankenrettung zur Zeit Milliarden kostet.
Gerechtigkeit gibt es nur noch für den Durchschnitt, nicht für den einzelnen
Man kann es eigentlich gar nicht begreifen, wie die CDU/CSU dies rechtfertigt und SPD und Grüne ihm in ihrer Regierung tatenlos zusahen und 2002 eine eigene Amnestie verkündeten. Doch es gibt eine Erklärung. Unser ganzes Denken hat sich vom einzelnen auf den Durchschnitt verlagert. Wir wollen nur noch im Durchschnitt Gerechtigkeit. Der Durchschnittsverbraucher herrscht in Brüssel, nicht der, der die Gerechtigkeit braucht. Dem Durchschnittsverbraucher weihen wir unsere Gesetze und nicht den Schwachen. Die Risikoadjustierte Preisgestaltung macht die Perversion perfekt und alle finden es richtig: wenn eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern einen Kredit für ein Auto aufnimmt, um die Kinder überhaupt versorgen zu können, dann zahlt sie drei bis viermal so viel Zinsen wie der Bayern-Chef. Warum? Weil sie ein Risiko ist. Aber wenn sie doch den Kredit vollständig und sauber immer zurückgezahlt hat und auch zahlen wird – warum dann? Weil sie im Durchschnitt ein Risikofaktor darstellt. Man zwängt sie in eine Gruppe, die sie nicht kennt und die sie nicht gewählt hat und für die sie bluten muss. Als ich das in den Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung schreiben wollte, haben jeweils die Minister aller Couleur die Aufnahme verhindert. Wenn der Bayern-Chef wie einst der Baulöwe Schneider Milliarden schuldig bleibt, dann zählt das nicht. Er gehörte (noch) nicht zu dieser Gruppe. Die Armen tragen das Risiko der Armen allein – heißt die Message. Der statistische Zusammenhang, sozialwissenschaftlich so sinnlos wie ein Risikozuschlag nur für Blonde, reicht aus. Wir sehen es ein, dass Arme mehr bezahlen müssen. Deshalb sehen wir auch ein, dass Reiche weniger bezahlen müssen und deshalb haben wir eigentlich auch nichts gegen die Steueramnestie für sie. Im Durchschnitt bezahlen sie ja nach dem Abkommen mehr als vorher und das reicht. Wer die Hatz auf die Reichen bläst trägt zu dieser Ideologie bei. Es geht um Gerechtigkeit für Reiche wie Arme und nicht um Mehrbelastung.
Gerechtigkeit ist ein individuelles Menschenrecht
Wir müssen zur Gerechtigkeit zurückkommen. Das fängt im Alltag an und beweist sich bei den Armen. Dann können auch diejenigen als Falschspieler entlarvt werden, die scheinbar den Spieß umdrehen und meinen, den Futterneid zu bedienen und zu fordern, dass die Reichen stärker zur Kasse gebeten werden, allein weil sie reich sind. Nein – die Reichen sollen lediglich die Risiken unserer Gesellschaft nicht mehr allein mit dem Hinweis auf unsinnige statistische Zusammenhänge allein auf die Armen abwälzen können sondern ihren Anteil tragen. Wo bleibt eigentlich der Diener der Gerechtigkeit, die Justitia? (UR)