Stopp den Kreditverkäufen? – Pensionierter Vorsitzender des Bankensenats veröffentlicht Kritik – und baut weiter Verbraucherschutz ab

EIN EHEMALIGER BUNDESRICHTER MELDET SICH ZU WORT

Herbert Schimansky hat 1988 den damals neu gegründeten 11. Bankensenat übernommen, der dem bis dahin zuständigen 3. Senat die Aufgabe des Verbraucherschutzes bei Bankkunden abnahm. Dies ist etwa der Zeitpunkt ab dem die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Kreditkunden der Banken schrittweise entrechtet hat. Die dabei verfolgte Grundhaltung war: Verbraucherschutz ist Ermöglichung einer informierten Entscheidung des Wohlstandsbürgers im Anlagegeschäft, dieser Schutz darf aber das Bankensystem nicht wirtschaftlich gefährden. Kreditnehmer hatten hier nichts zu erwarten. Schützend stellte sich der Senat vor die sechsfach überhöhten Vorfälligkeitsentschädigungen, die der Syndikus der Vorläufer der HypoVereinsbank Bruchner in vielen Schriften juristisch abgesichert hatte. Weiter ging es mit dem Abbau des Wucherschutzes, bei dem die Restschuldversicherungsprämien nicht mehr eingerechnet und im Effektivzinssatz auch nicht mehr ausgewiesen werden mussten. Das hat heute zum größten Betrugssystem des Bankrechts geführt, wo reihenweise Banken ihre Zinsen in über 50% im voraus zu zahlenden Innenprovisionen verstecken, die ihnen von den willfährigen Versicherern zurückerstattet werden. Auch die Kombiprodukte ließ der Senat von Verbraucherschutz verschonen, ganz zu schweigen von den Überziehungsprovisionen, mit denen er die schuldnerschützende Rechtsprechung des Vorgängersenats zu den Verzugszinsbegrenzungen zumindest auf dem Girokonto ad absurdum führte. Die Nichtigkeit von Krediten an der Haustür nach der Rechtsprechung zu § 56 Gewerbeordnung wurde ohne den Federstrich des Gesetzgebers gestrichen.

Unter Schimansky wurde es auch üblich, publizistisch, auf gut bezahlten Seminaren und in Vorträgen immer enger an die Bankjuristen heranzurücken. Inzwischen winkt Bundesrichtern von der Finanzbranche die Anstellung als gut bezahltem Verbraucherombuds nach der Pensionierung. Ohne das, was man in der übrigen Welt als judicial restraint (Zurückhaltung des Richters) versteht, werden fleißig Rechtsmeinungen publiziert, mit denen Senatsmitglieder dann angeblich unvoreingenommen in die konkreten Urteilsverfahren gingen. Zuletzt wussten wir schon aus einem Aufsatz des Senatspräsidenten ein Jahr vor dem Urteil zu den Kreditverkäufen, was darin stehen würde. Das Ergebnis war, dass das Recht schon feststeht, bevor die Richter die Realität der Problematik erfassen. Sie werden damit zu Rechtsideologen. Der konkrete Fall, in dem die humane Dimension des Falls zu erkennen wäre, geriet aus dem Blickfeld. Richter werden zu Gesetzgebern.

Schimansky hat dann seinen Namen für das Standardwerk Schimansky/Bunte/Lwowski-Lwowski zum Bankrecht (2007) hergegeben, das erfolgreich den Verbraucherschutz aussparte und die Bankjuristen versammelte. In den RWS Seminaren lernte man sich besser kennen und die Festschrift zu seinem Ausscheiden wurde dann zu einem Adressbuch für Bankrecht. Der Name Bruchner schimmert dabei im Hintergrund.

KRITISCHE LINIE NACH AUSSCHEIDEN AUS DEM AMT?

Im Juni Heft der WM (2008, 1049) erschien nun ein Aufsatz von Herbert Schimansky unter dem Titel "Verkauf von Kreditforderungen und Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung".

Dazu der Kommentar eines Anwalts: „Zunächst ist bemerkenswert, wie offen der Autor die Rechtsprechungslinie des jetzigen Vorsitzenden Nobbe kritisch analysiert. Im Übrigen decken sich die Ausführungen in den wesentlichen Punkten mit dem Sachvortrag in hunderten von Seiten von Schriftsätzen, die – mit Ausnahme des Urteils des OLG München vom 26.02.2008 – von den Gerichten bisher nicht einmal zur Kenntnis genommen wurden – geschweige denn problematisiert worden sind. Interessant ist der von Schimansky gefundene Ansatzpunkt, dass die Formularklausel in den Grundschuldbestellungsurkunden im Falle einer Abtretung an eine Nichtbank zu einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB führt.

Etwas zu kurz gekommen scheint aus meiner Sicht die Differenzierung zwischen der Abtretung der Darlehensforderungen und der eigenständigen Abtretung der Grundschulden sowie die Problematisierung der Nichtübertragbarkeit der Pflichten der Bank aus dem Sicherungsvertrag ohne Zustimmung des Sicherungsgebers.

Letztendlich ist aber entscheidend, dass hier ein hoch angesehener ehemaliger Vorsitzender eines BGH-Senats erstmals die grundlegenden Problematiken in unserem Sinne angesprochen hat und sich nicht auf die Feststellung beschränkt, "es ist doch egal, an welchen Gläubiger der Kreditnehmer zahlt.::" ( so das Zitat eines Vorsitzenden Richters am OLG Dresden!)”

VOM BANKJURISTEN ZUM VERBRAUCHERSCHÜTZER?

Sehen wir also hier einen geläuterten ehemaligen Bundesrichter? Wohl kaum. Der Aufsatz beginnt schon damit, dass er den Satz „Kreditgeschäfte sind Vertrauenssache” als eine „etwas antiquierte Vorstellung” bezeichnet. Anschließend meint er, „Das berechtigte Interesse des Kreditnehmers, das ihm der Darlehensgeber seines Vertrauens für die Laufzeit des Kredites erhalten bleibt, ist rechtlich nicht geschützt.” Er verweist hierfür auf das Urteil des 11. Senats unter seinem Nachfolger Nobbe.

Das ist irreführend. Dieses BGH Urteil hat sich nicht mit Verkäufen von Darlehensverträgen befasst und blieb neben der Sache, weil es die Frage des § 415 BGB nicht einmal erwähnte. Dieser Paragraph ist noch nicht abgeschafft und verkörpert nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes sogar ein Grundprinzip der Verfassung.

So kann der Darlehensgeber (anders als Schimansky meint) auch weiterhin mit Recht erwarten, „dass ihm der Darlehensnehmer seines Vertrauens für die Laufzeit des Kredites erhalten bleibt”. Dass der Kreditnehmer der Bank mitteilt, seine Oma zahle jetzt den Kredit für ihn zurück, sie solle sich im weiteren nur noch an diese wenden, ist mit dem geltenden Recht nicht vereinbar.

Das gilt aber für beide Seiten und damit auch für die Bank. Ihre Pflichten aus dem Darlehensverhältnis kann sie nicht ohne Zustimmung des Kreditnehmers an Dritte übertragen. Schimansky unterschlägt (Verwechslung kann man ihm kaum unterstellen), dass die Forderungsabtretung keineswegs die Pflichten aus dem Darlehensvertrag mitumfasst.
Er spricht von Abtretung. Eine Abtretung von Pflichten gibt es aber nicht.

Kündigungsschutz, Verbot bei Umschuldungen Vorteile zu ziehen, anständige Abrechnungen bei Abschluss zu erstellen, Ansprechpartner in der Krise zu sein, bei Auslaufen nicht getilgter Kredite für angemessene Anschlussfinanzierungen mitzusorgen, bei Kombikrediten sich um die Verluste in der Kapitallebensversicherung Gedanken zu machen etc., alles Rechte, die der 3. (Vorgänger) Senat entwickelt hatte, bevor der 11. Senat sie allmählich obsolet werden ließ, sind nicht „abtretbar”. Das Recht spricht hier von einer „Übernahme” (§ 414 BGB) und es ist unverantwortlich für einen Juristen, dies bewusst durcheinander zu bringen.

KONTINUITÄT IM ABBAU VON VERBRAUCHERSCHUTZ

Der 11. Bankensenat bleibt sich unter beiden Senatspräsidenten treu. Schimansky zerschlägt hier Strukturen des Zivilrechts, die inzwischen sogar die Bundesregierung in ihren Vorschlägen und mit ihr alle Parteien ausdrücklich anerkennen. Dafür gibt er Peanuts wie die Nichtabtretbarkeit der Unterwerfungserklärung oder früher bei den Auslandsbankgebühren. Wie auch jüngst in einem Aufsatz des neuen Senatspräsidenten Nobbe bei den Bausparprovisionen werden pressewirksam Peanuts oder eher abwegige Überlegungen in die Öffentlichkeit geworfen, während man Strukturen verantwortlicher Kreditvergabe, wie sie das Zivilrecht kennt, weiter abbaut.

Im nächsten Jahr wird der aktuelle Senatspräsident verabschiedet. Er wird seine obligatorische Festschrift als Adressbuch des Bankrechts erhalten. Er wird auch Verbraucherschützer dabei haben. Was danach kommt steht in den Sternen. 20 Jahre verbraucherfeindliche Rechtsprechung sind eigentlich genug. Die Kreditkrise hat gezeigt, dass Verbraucherschutz das Wirtschaftssystem und damit auch die Banken schützen würde. Die Deregulierung und Entrechtung in den USA und in Europa war nach Auffassung der Bankenbehörden ein wesentlicher Grund für die extremen Risikosteigerungen in diesem Segment.
Politik gehört in die Parlamente und ist nicht Aufgabe von Spitzen der Justiz.

KRITIK DER KRITIK: "Hilfestellung nicht niedermachen"

Zu diesem Beitrag erreichte uns folgende Kritik:

"Ich wünschte mir, diese überraschende Veröffentlichung würde nicht „niedergemacht” sondern als weiterer Beitrag zur Hilfestellung für die Kreditopfer gewertet. Ich verstehe den Beitrag so, dass Herr Schimansky sagt, die bisherige Rechtsprechung werde der interessengerechten Auslegung von Verträgen nicht mehr gerecht, da sich die Stärke der Vertragspartner dramatisch verändert hat. Der viel schwächere Kreditnehmer muss anderes geschützt werden als noch notwendig zu Zeiten, in denen Kredite nicht verkauft wurden. Ich verstehe Herrn Schimansky milder Aussage … so geht es nicht… Ich weiß nicht, ob man Herrn Schimansky als „ geläuterten „ ehemaligen Bundesrichter beschreiben sollte, das gefällt sicher den „Lone Star’s,,,… Ich sehe den ganz wesentlichen Punkt der Äußerungen darin, dass sich durch so gravierende Veränderungen auf dem Markt des Kreditgeschehens die Voraussetzungen für die Gültigkeit der bisherigen Rechtsprechung geändert haben und deshalb eine Korrektur dringend notwendig ist. Dies ist ein anderer Tenor. Können Sie sich mit diesem Gedanken auch anfreunden auf Ihrer Internetseite? Ich denke, das kann den Verbrauchern wieder helfen. Die Situation ist für sehr viele Kreditnehmer viel zu ernst, als dass das Thema „ Kreditverkäufe" zum akademischen Streit verkommt. Ich denke, aus Jedem Beitrag muss erkennbar sein, welche Position unterstützt wird, die der Investoren oder die der Verbraucher."