ÜBERSCHULDUNGSREFERAT IM FAMILIENMINISTERIUM AUFGELÖST

Nachdem Frank Bertsch im Famlienministerium bis zu seiner Pensionierung kontinuierlich die Kompetenz für die Geissel der modernen Armut, die Überschuldung, erhöhen und mit Forschungsaufträgen und Netzwerken unterstützen konnte, folgte bereits unter Rot-Grün die Herabstufung des Themas auf Referentenebene und jetzt seine vollständige Aufgabe. Die Zuständigkeit hat jetzt der „Leiter des Referats 202 … die Aufgabe der Begleitung des 3. Armuts- und Reichtumsberichts, insbesondere der Erstellung des Berichtsteils Überschuldung übernommen”.
Bereits vorher hatte das Familienministerium die Überschuldungsforschung eingestellt und damit dem Reagan-Prinzip gehuldigt, dass das Armutsproblem am besten dadurch gelöst wird, dass man es nicht unnötig durch Forscher ins Licht der Öffentlichkeit zerrt. Es begnügt sich ebenso wie übrigens die EU DG Social Policy in ihrem „Überschuldungs”projekt, das ein Pariser Bankeninstitut erhielt, mit Zahlen und Definitionen zur Überschuldung.

DER „ÜBERSCHULDUNGS-DAX”

Man vertraut auf bewährte Mechanismen in der Darstellung der Massenarbeitslosigkeit. Nach dem Vorbild des Deutschen Aktienindex soll die Öffentlichkeit monatlich auf eine Zahl warten, die ein Herr im Anzug so verkündet, als käme sie direkt vom Orakel aus Delphi. Die SCHUFA hat schon damit angefangen und verkündet mit absurden Zahlen, dass die Überschuldung seid letztem Jahr abgenommen habe. Der Überschuldungs-DAX begrenzt das öffentliche Interesse ebenso wie bei der Arbeitslosigkeit auf die Schwankungen im obersten Bereich. 9% ist eben dann besser als 10%, auch wenn die Zahl der in Armut fallenden Langzeitarbeitslosen ebenso wächst wie das Heer derjenigen, die nicht einmal mehr Schulden machen können und daher in den Überschuldungszahlen nicht mehr repräsentiert sind.

Stattdessen gewinnt eine Politik an Überzeugungskraft, die statt dem Problem den Betroffenen den Kampf angesagt hat. Überschuldete wie Arbeitslosen sind selber die Urheber ihrer Misere. Bei ihnen muss mit Überzeugungskraft (finanzieller Allgemeinbildung) und Peitsche (Leben an der Pfändungsfreigrenze) angesetzt werden.

ARMUTSBERICHT ALS HOFBERICHTERSTATTUNG ZUR SOZIALPOLITIK

Das Ganze kulminiert im Armutsbericht, den die Sozialdemokraten unsinnigerweise mit ihrer Reichtumsberichterstattung zu einem Neidbericht herabstuften, der die alte Suggestion, man müsse nur den Reichen nehmen um die Armut zu besiegen, aufrechterhielt, obwohl sich gerade diese Partei von ihrem damaligen Kanzler davon hatte überzeugen lassen, dass die Gewinne von heute die Einkommen der Arbeitnehmer von morgen sind.
Deshalb waren auch im zweiten Armutsbericht bereits alle Passagen gestrichen, die auf die Marktmechanismen zur Vertiefung von Armut gerade im Finanzdienstleistungsbereich hinwiesen.

ARMUTSFÖRDERUNG IN DER GESETZGEBZUNG

Ebenso ignoriert wurde der Fehler der Reform der Altersvorsorge, wonach man vor allem mit Wirkung für die Geringverdienern die Rente kürzt und dafür Produkte als Kompensation bereitstellt, die sie nicht erreichen können, so dass die Altersarmut vorprogrammiert ist. Im Markt wird über Brüssel eine Kreditgesetzgebung eingeführt, die Kreditkartenfirmen und im Internet den Wucherkredit auch in Deutschland ermöglicht und in Zukunft den Überschuldeten, die umschulden müssen, noch eine Vorfälligkeitsentschädigung zusätzlich beschert. Dass heute auch in Deutschland Wucherzinssätze von 30% p.A. wieder legal sind, wird ignoriert, weil die rückfliessenden Provisionen und Umschuldungsgewinne ja geheim bleiben dürfen. Zinssätze nur für Arme sind gerechtfertigt, weil die Armen eben ein hohes Risiko darstellen. Da kann man hier und beim prepaid Handy es niemandem verdenken, wenn er sie dafür zahlen lässt.

Die Gedankenlosigkeit geht aber noch weiter. Das Justizministerium entwertet zur Zeit die Schuldnerberatung mit dem Rechtsdienstegesetz, indem es mit der Annexkompetenz die Türen für den Kommerz öffnet, nachdem das veränderte Entgeltsystem der Länder für Beratungsstellen schon vorher dafür gesorgt hatte, dass Schuldenberatung keine Schulden und Kredite mehr begutachtete sondern zur Verfahrensberatung für die Verbraucherinsolvenz wurde. Die Grünen ließen in ihrem Ministerium dafür Handyschulden und Jugendverschuldung begutachten, um der Ideologie Auftrieb zu verleihen, dass Armut eben ein Erziehungsproblem sei. Gerade noch abgewehrt werden konnte ein Insolvenzverfahren nur für Arme, das ihnen teuer zu stehen gekommen wäre.

In dem neo-liberalen Eifer wurden zuerst die Hedgefonds von Steuern befreit, um sie dann offiziell aber folgenlos als Heuschreckenfonds zu diffamieren, als sie mit deutschen Krediten die Mieter in den staatlichen Mietwohnungen „fachgerechter” bedienten und kündigten.

WARUM DIE SOZIALDEMOKRATIE?

Die SPD bestimmt seid 10 Jahren die Regierungspolitik Die Verwobenheit der Schröder-SPD mit Konzernbetriebsräten hat dabei zu einer merkwürdigen Alllianz von Großunternehmen wie Siemens und VW einschließlich ihrer noch beschäftigen Arbeitnehmer gegenüber dem Rest der Welt geführt. Sie hat persönliche Beziehungen gebracht, die nicht nur Strukturvertriebe wie AWD und Göttinger Gruppe in ihrem armutsfördernden Kapitalmarktgebaren absicherte, und die sich dafür mit Spenden revanchierten. Sie hat uns auch Hartz IV beschert, bei dem die Langzeitarbeitlosen vom Arbeitsmarkt abgekoppelt zu einer Gruppe der Hoffnungslosen gestempelt wurden. Die Überschüsse, die dadurch bei der Sozialversicherung aus den Armen herausgeholt wurden, hat einen SPD Bundestagsabgeordneten laut Presseberichten (anders z.B. der CDU Ministerpräsident des Saarlandes) dazu bewogen, eine Erhöhung der Gewinne der Konzerne durch niedrigere Beiträge zu fordern. Bei der neuerlichen Verdoppelung des Brot- und Butterpreises, der wie Benzin und Miete vor allem die Armen trifft, fiel auch einem Sprecher der Grünen nur ein, dass dies tendenziell vernünftig sei.

DIE KINDER BEZAHLEN

Heute leben 20% der Kinder in Berlin in Armut. Bundesweit sind es 13%. Allem neo-liberalen Unsinn zum Trotz gibt es keine marktwirtschaftliche Begründung dafür, warum unschuldige Kinder bei uns froh sein müssten, wenn das Verbot der Kinderarbeit aufgehoben würde, damit sie wenigsten ein paar Chancen für ihre Zukunft erwirtschaften könnten. Dass wir Kinder in der Obhut der Eltern aufziehen, denen wir die Lebensgrundlage gedankenlos entziehen, ist der eigentliche Skandal einer wie immer auch definierten Sozialpolitik
Nach Willy Brandt und Karl Arnold haben sich die Volksparteien zu neuen Ansichten durchgerungen. Integration ist ineffizient. Die Schaffung einer Ghettowirtschaft ist effizienter. Wer am Rand ist erhält die marktwirtschaftliche Chance eines Wucherkredites, der über Umschuldungen, Kreditkartenreiterei die Spreu vom Weizen trennt. Diejenigen, die es danach noch schaffen, wieder auf die Beine zu kommen, haben gezeigt, dass die Marktwirtschaft sie noch brauchen kann. Die anderen haben versagt. Laut OECD Bericht zur vertikalen Durchlässigkeit von Gesellschaften ist das Mutterland der Tellerwäscher zum Millionär-Ideologie allerdings das Schlusslicht bei seiner tatsächlichen Verwirklichung, während hoffnungslos verbürokratisierte, etatistische Gebilde wie Skandinaven die soziale Durchlässigkeit geschaffen haben.

ARMUTSKONGRESS DER DGH IN BONN AM 1. /2. OKTOBER 2007

Die Deutsche Gesellschaft für Hauswirtschaft (Postfach 21 51, 49132 Wallenhorst Tel: 05407 / 816 476, Fax: 05407 / 816 477) in der Universität Bonn einen Kongress zum Thema „Armut und Armutsprävention in der Zivilgesellschaft – Perspektiven für Haushalte und Familien”. (Der Tagungsbeitrag beträgt 150,- € für Tagungsgäste 50,- € für Studierende 100,- € für dgh-Mitglieder 25,- € für studierende dgh-Mitglieder)
Darauf wird das Thema Überschuldung in einer Arbeitsgruppe angesprochen. Als Referenten wird man Heiner Geißler und Frank Bertsch treffen. Die SPD Oberbürgermeisterin von Bonn hat die Schirmherrschaft übernommen. Das ist sicherlich nicht besonders hoch angesiedelt. Aber doch eine Chance, denn ohne die Sozialdemokratie wird es in Deutschland schwer, eine soziale Wirtschaftspolitik zu definieren, die Armut nicht als Schicksal sondern als Skandal begreift.