AUFHEBUNG DER KONTOINTEGRITÄT BEI HARTZ IV EMPFÄNGERN SCHAFFT MINDESTGIROKONTO TENDENZIELL AB

In dem neo-liberalen Wahn, wonach die Arbeitslosen selbst Schuld daran sein müssen, wenn es nur noch so wenig Arbeitsplätze für sie gibt, und sie daher tendenziell als Betrüger zu behandeln sind, gehen die Bundesregierung und hier federführend die SPD-geleiteten Finanz- und Arbeitsministerien einen Schritt weiter.

In Zukunft (so melden die Stuttgarter Nachrichten vom 20.7.2007, 5) soll es nach Auffassung eines Vertreters des Arbeitsministeriums einen "Anstieg der Gesamtzahl der Abfragen bei den Hartz-IV-Empfängern geben."

DIE BESTREBUNGEN ZUM ZUGANG ZUM GIROKONTO FÜR SOZIAL SCHWACHE WERDEN DAMIT TORPEDIERT

Die Sozialbehörde hat jetzt ohne vorherige Anfrage beim Leistungsempfänger Zugriff auf das Konto. Das Konto wird somit zum gläsernen Budget der Armen und erhält damit den Stempel "Nicht empfehlenswert".

WER SICH NICHTS ZUSCHULDEN KOMMEN LÄSST HAT NICHTS ZU BEFÜRCHTEN?

Die Linkspartei sieht hier die Gefahr der Ämterwillkür. Das ist aber nicht das Problem.
Nur diejenigen, die rechtswidrig etwas bezogen haben, müssen ja den Staat fürchten.

Es geht darum, dass hier kollektiv ein Effekt erzielt wird, der Armut vorantreiben wird und die Ghettogesellschaft der Kontolosen fördert.

Der Zugriff der Steuerbehörde und des Sozialamtes wird nämlich immer als Bedrohung empfunden. Welcher Sozialhilfeempfänger weiß , was im einzelnen rechtswidrig oder rechtmäßig bei den Einnahmen ist. Und selbst wenn alles rechtmäßig ist, kann er es auch beweisen oder ist er oder sie dem Verdacht ausgesetzt?

Das wäre alles erträglich, wenn wir tatsächlich eine Missbrauchswelle hätten. Die Hamburger Behörden, die mit einem kläglichen Ergebnis mit einer Überprüfungsaktion zu Hause pauschal alle Hartz IV Empfänger in Hamburg in Angst und Schrecken setzten, haben in der Sache mehr ausgegeben als erhalten und die Öffentlichkeit in die Irre geführt.

Wenn jetzt auch noch das Konto für Bestätigungsaktionen missbraucht wird, dann wird die Angst die weniger Bemittelten noch weiter wegtreiben.

IN ENGLAND LIEGT DER AUSSCHLUSS BEREITS BEI 17%

In England hat eine Untersuchung der Finanzaufsicht ergeben, dass unter den 17% Haushalten, die weit überteuerte Finanzdienstleistungen nutzen, weil sie über kein Konto mehr verfügen, eine Mehrheit das sogar selber so wünscht. In Deutschland versuchen wir mit der Pflicht zur Stellung eines Mindestgirokontos wenigstens die Angebote aufrecht zu erhalten, wobei die Nachfrage Gott sei Dank noch besteht.

Dies wird sich ändern, wenn erst einmal die Angst und das Misstrauen vor dem Girokonto angekommen ist. Dann kann die Regierung die Schuld wieder den Betroffenen selber geben.

Wir haben uns daran gewöhnt die großen Steuerverbrecher mit dem Argument zu schonen, dass sie sonst ins Ausland abwandern würden und die Heuschreckenfonds gewähren zu lassen, weil sie sonst ihr Kapital woanders anlegen.

Bei den Armen gilt es nicht. Sie werden ihre Kinder hier in Armut aufziehen und ohne Konto auch weniger sichtbar sein. Sozialamt und Hilfen werden keine Chance mehr haben, über eine Kontoführung etwas Ordnung im Haushalt zu schaffen und Überweisungen sowie Einnahmen möglichst billig und rational zu verwalten.

In einer Bargeld-Ökonomie blüht die Korruption und die Kriminalität erst recht. Das weiß jeder Kripbeamte, der im Rotlicht Milieu zu tun hat.

Bestraft werden die Kinder der Hartz IV Empfänger, von denen in unseren Großstädten bald ein Viertel in Armut und vor allem abgeschnitten von der Wirtschaft aufwachsen ausgestattet mit überteuerten prepaid Handy Karten, Kreditkarten, 1€ Geschäften, McDonalds und schulischen Verwahranstalten mit viel Polizei und Sicherheit.

KONTOINTEGRITÄT IST EIN GRUNDRECHT

Kein Sozialamt hat bisher das Recht auf der Strasse die Hartz IV Empfänger ohne richterlichen Befehl anzuhalten, ihre Taschen zu durchsuchen oder zu Hause die Wohnung auf den Kopf zu stellen. Wir wissen wie verheerend teuer Kontolosigkeit und eine Bargeldökonomie in der Kreditgesellschaft sind. Wenn wir das Girokonto für diese Schichten aus der geschützten Privatsphäre ausnehmen, dann schaffen wir es für sie ab.

Eine entsprechende Dummheit machten die Kommunen, als sie vor einigen Jahren im sozialen Wohnungsbau die Mieter zur Kasse baten, die die Voraussetzungen nicht mehr erfüllten. Die Folge war ein Massenauszug und die Bildung von Wohnghettos für Bedürftige. Die Logik existiert überall.

MELDUNG NACH DEN STUTTGARTER NACHRICHTEN VOM 19.7.2007

Künftig auch Kontoabfragen zur Überprüfung von «Hartz IV»-Empfängern Stuttgart (ddp.djn).

«Hartz IV»-Empfängern droht künftig bei Verdacht auf Leistungsmissbrauch zusätzlich eine Kontenabfrage. Das Recht dafür räumt den zuständigen Jobcentern die Unternehmenssteuerreform ein.

Nach Informationen der «Stuttgarter Nachrichten» (Donnerstagausgabe) erwartet die Regierung, dass das Instrument rege genutzt wird: «Das wird wahrscheinlich in Zukunft zu einem Anstieg der Gesamtzahl der Abfragen führen», sagt ein Sprecher des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dem Blatt.

Bisher wird die Kontoabfrage vor allem von Finanzämtern, dem Zoll und der Polizei genutzt, um Straftaten wie Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu bekämpfen. Auch einige Sozialbehörden dürfen seit April 2005 auf diesem Weg Informationen über Kontonummern von Leistungsempfängern abfragen. Jobcentern, die Ansprüche von Langzeitarbeitslosen auf Arbeitslosengeld II prüfen, waren solche Abfragen bisher ausdrücklich untersagt.

Nach der Gesetzesänderung fürchten Betroffene Willkür gegenüber «Hartz IV»-Empfängern. Dafür sorge unter anderem die Formulierung im Gesetz, wonach die Behörde vor einer Kontoabfrage nicht zwingend bei dem Betroffenen nachforschen muss, sondern sich auch darauf berufen kann, dass «ein vorheriges Auskunftsersuchen keinen Erfolg verspricht».