1,1 AUFSEHER FÜR 1000 FINANZDIENSTLEISTER – KANN DAS BAFIN SICH SELBER BEAUFSICHTIGEN?

Nach dem Skandal um Untreue und Betrug im Bundesaufsichtsamt kann kaum ein Bürger, hätte er es denn vorher gekonnt, sich noch vorstellen, wie eine Behörde mit 1607 Mitarbeitern, die bei sich den Betrug von mehr als 17 Personen nicht entdeckte, die 1,4 Mio Beschäftigten (693.000 im Bankgewerbe, 293.000 Festangestellten im Versicherungsgewerbe, mit 320.000 nebenberuflichen Vertretern und weitern 78.000 selbständigen Vertretern, die Zahlen über weitere Vertreter und Berater dürften auch noch 100.000 überschreiten) im betrugsanfälligen Finanzdienstleistungsgewerbe effektiv überwachen soll. Gerade weil Finanzdienstleistungen so wichtig für die Bürger geworden sind, brauchen wir in Deutschland eine Behörde, die das „save and sound banking”, d.h. Verantwortlichkeit im Kredit und bei der Anlage in Investment, Sparen und Versicherung effektiv überwachen kann.

Im Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen, das die traditionell getrennten drei Aufsichtsämter für Banken, Versicherungen und Wertpapiere zumindest formal unter eine Präsidentschaft zusammenfasste, wurden für 4 Mio € fingierte Softwarerechnungen gestellt und Vetternwirtschaft betrieben. Die Verantwortung hierfür muss wie in jeder Firma der Chef übernehmen und der heißt Jochen Sanio.

Das könnten deutsche Verbraucher gelassen sehen, wenn es nur um die übliche politische Verantwortung ginge, die öffentliche Opfer fordert auch wo die Fehler nicht persönlich gemacht wurden. Die Affäre gibt aber zugleich die Chance, insgesamt beim Bundesaufsichtsamt ein wenig öffentliches Vertrauen zu erringen vergleichbar etwa dem Vertrauen in die Banque de France oder die amerikanischen Security and Exchange Commission (SEC) oder gar den New Yorker Staatsanwalt Spitzer, den man jetzt gerade wegen seines Engagements für eine saubere Finanzwelt wohl zum Gouverneur des Bundesstaates wählen wird.

MAKELLOSER RUF MIT NEBENSÄCHLICHKEITEN? BUNDESBANK KÖNNTE AUFGABEN ÜBERNEHMEN:

Doch „Finanzaufseher Jochen Sanio muss aufräumen – und bleiben”. Er habe sich einen makellosen Ruf im Ausland verschafft. Doch bei näherer Betrachtung könnte man auch meinen, dass das angeblich makellose Ansehen des jetzigen Präsidenten dem Schein eines Papiertigers geschuldet ist. Das deutsche Aufsichtsamt ist nämlich seid Jahren eine Mogelpackung. Großer Name, wenig Präsenz, Personal und Einsicht. Es ist eine Informationsverarbeitungsbehörde für Nachrichten, die ihr aus dem Finanzdienstleistungssektor freiwillig zur Verfügung gestellt werden.

Die allgewaltige aber eben unzuständige personalstarken Bundesbank mit zehn Mal so viel Personal (12.774) ist nicht für Aufsicht sondern nur für „währungspolitischen Aufgaben des Eurosystems” zuständig ist. Sie könnte mit wenigen Federstrichen im Gesetz sich die Aufsicht mit dem BAFIN teilen, wobei ohnehin das BAFIN bisher nicht integriert ist. Das müsste das BAFIN nur wollen. In Frankreich gibt es eine solche effektive Einheit.

Stattdessen wird seid Jahren der Schein einer effektiven Aufsicht aufrechterhalten, die aber die Eigenüberwachungsmaßnahmen der Banken nur administrativ begleiten kann. Das war schon so in der Herstadt-Affäre und hat sich in den Schieflagen von Fischer- und Schmidt-Bank und anderen fortgesetzt, wo das Aufsichtsamt sein Wissen wohl eher der Tagespresse als seinen Recherchen entnommen hatte und dem Branchenprimus den Vortritt ließ. 14 Untersagungen im Einlagengeschäft im Jahre 2006 gegenüber Kleinstunternehmern weisen keinen Tiger aus. Keine Bank war dabei. Die Behörde arbeitet „im Stillen.”

SKANDALE AUS DER PRESSE

Das Aufsichtsamt hat auch die großen Skandale, die die Verbraucher nachhaltig betroffen haben und immer noch betreffen, alle eher aus der Ferne beobachtet. Dies war so, als fast 80% der Ratenkreditforderungen einiger Teilzahlungsbanken sittenwidrig und damit nichtig waren. Es war weiter so, als die Tilgungsverrechnungen im Hypothekenkredit sich als rechtswidrig erwiesen oder systematisch verspätet gebucht wurde. Es hielt sich, als mit betrügerischen Schrottimmobiliengeschäften Zigtausende geschädigt wurden. Bei den Kapitallebensversicherern wurden skandalöse Rückkaufswerte gedeckt, die die Hälfte der Sparer ihrer Anlagen beraubte. Auch bei den Vorfälligkeitsentschädigungen bleibt das Amt ebenso ruhig wie bei dem teilweise rechtswidrigen Verkauf massenweise schlechter Forderungen an Loan Star, durch den sich einige Banken ihrer Verantwortung für die Kreditnehmer entledigten. Dass heute bis zu 60% Innenprovision in der Restschuldversicherung zzgl. Finanzierungskosten für unerfindlich notwendige Prämienvorauszahlungen gerade ärmeren Verbrauchern abgenommen und auf Umwegen den Banken zugeleitet und damit letztlich betrügerisch erworben werden, dass in Deutschland die Vorfälligkeitsentschädigungen beim sechsfachen ausländischer Institute liegen, dass in der Wertpapierhausse massenweise falsche Ratschläge gegeben und Aktien rückwirkend im ad nostrum Geschäft gekauft wurden, hat die Behörde bisher nicht berührt.

Sicher gemacht durch eine Gesetzesänderung nach der Herstatt-Pleite, die sie vor zivilrechtlicher Verantwortung für ihr Handeln gegenüber den Verbrauchern schützt, behauptet sie, sie sei für Verbraucher nicht zuständig, beantwortet aber gleichwohl gerne deren Beschwerden leider aber zumeist mit der Stellungnahme der Bank, gegen die die Beschwerde erging.

STÄNDIGE AUFGABENERWEITERUNG

Statt sich auf wenigstens einige Felder zu konzentrieren, in der sie dem Anspruch der Aufsicht gerecht werden könnte, hat diese Behörde ständig ihren Aufgabenbereich erweitert und mit keineswegs adäquatem Personal den Schein einer Großbehörde aufgebaut, die kaum den Umfang eines mittelständischen Unternehmens erreicht. Statt der Öffentlichkeit klar zu machen, dass die zigtausend bei der Bundesbank nicht mit den paar Hundert bei der Aufsicht zu verwechseln seien, hat ihr Präsident in der Öffentlichkeit Scheingefechte ausgefochten. Es gab eine einzige Ausnahme. Der letzte Präsident hatte, obwohl ohne Aufsichtsrechte sich kurz vor seinem Ausscheiden aufgerafft und gegen die Göttinger Gruppe ermittelt. In mehreren Hundert Seiten hatte er versucht, sie vor den Kadi zu bringen. Sein Gutachten war richtig, wie wir jetzt wissen, die Gerichte aber unfähig. Statt die Öffentlichkeit auf den Skandal aufmerksam zu machen, verlief aber auch hier zum Schaden von Hundertausenden alles im Sand.

SOLVENZ DER INSTITUTE SCHÜTZEN KANN VERBRAUCHER SCHÄDIGEN

Die Devise ist wohl, dass das Aufsichtsamt nur für die Solvenz der Institute da ist. Die sei aber gesichert, wenn die Institute gute Gewinne machten. Da war es dann scheinbar weniger wichtig, wie die Gewinne gemacht wurden. Nur die Erfahrung der Verbraucherverbände bei Berliner Bank und Bayerischer Hypotheken- und Wechselbank waren schon früh so, dass man deren Mogelprodukte und Kreditgebaren letztlich als Frühwarnsystem für ihre spätere Pleite auf Kosten von Kunden und Steuerzahler hätte nehmen können.

Stattdessen hielt sich die Aufsicht niemals für zuständig und nahm fahrlässig und ohne effektive Steuerungsmittel noch Kompetenzen für den grauen Kapitalmarkt hinzu, die sie bisher in keiner Weise ausfüllen konnte. Deutschland dürfte neben Neuseeland, dass die Aufsicht abschaffte, einer der scheinheiligsten Finanzaufsichten der Welt haben. Dabei ist die Entschuldigung, die Behörde sei nicht für Verbraucher sondern für die Sicherheit des Finanzdienstleistungssystems dar, keineswegs stichhaltig. In fast allen Fällen zeigten die Auswüchse, dass mehr dahinter stand. In den meisten Fällen betrafen die rechtswidrigen Praktiken Geschäfte im großen Umfang, so dass es zu Wertberichtigungen in den Bilanzen hätte kommen müssen, die eine Früherkennung der Schieflage hätten auslösen können und Konsequenzen für die Eigenkapitalquote heraufbeschwören müssten.

WHISTLEBLOWER KONTAKTE WÄREN GEFRAGT

Die Aufsichtsbehörde braucht die Verbraucher und Arbeitnehmer der Fiannzdienstleistungsbramche als „Whisleblower” und Frühwarner, wie sie in vielen Ländern bereits gesetzlich geschützt werden. Dies hat sie bisher systematisch abgelehnt.

Ein Nachfolger für den jetzigen Präsidenten hätte die einmalige Chance, hier neu anzufangen. Die Politiker und auch die Finanzdienstleister, die in Zukunft mehr Vertrauen in einer etwas wilder werdenden Finanzwelt brauchen, sollten dem Amt diesen Neuanfang gönnen. Denn der aktuelle Skandal sagt mehr aus als viele meinen.

Zu einem Neuanfang aber gehört auch eine gesetzliche Aufgabenzuweisung für Verbraucherbeschwerden, es gehört die Zusammenarbeit mit verbrauchernahen Einrichtungen hierzu und Schluss mit der Unsitte, Banken und Versicherungen dadurch zu kontrollieren, dass man sie um Auskunft bittet statt die üblichen Methoden der Untersuchung zu nutzen und mit Staatsanwaltschaft und Steueraufsicht zusammenzuarbeiten. Es darf nicht länger der Eindruck bestehen, in Deutschland herrsche ein korporatives Finanzdienstleistungssystem, bei dem das BAFIN die Missstände, wie es uns einmal bezeichnet wurde. „im Verborgenen wirksam abstelle”.

ANHANG: AUFGABEN VON BAFIN UND BUNDESBANK

1. BAFIN

„Ungesetzliche Bank-, Versicherungs- und Finanzdienstleistungsgeschäfte

Unternehmen dürfen nur dann Bank-, Finanzdienstleistungs- und Versicherungsgeschäften betreiben, wenn sie vor der Geschäftsaufnahme eine schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erhalten haben.

Die BaFin kann gemäß § 37 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) gegen die Unternehmen einschreiten, die Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte ohne Erlaubnis oder nach § 3 KWG verbotene Geschäfte betreiben. Sie kann außerdem gegen Unternehmen vorgehen, die in die Anbahnung, den Abschluss oder die Abwicklung derartiger Geschäfte einbezogen sind. Die Bundesanstalt hat dabei die Möglichkeit, die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebes und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte gegenüber den Unternehmen und den Mitgliedern ihrer Organe anzuordnen, Weisungen zu erlassen und eine geeignete Person als Abwickler zu bestellen.”

2. BUNDESBANK

„Erfüllung der währungspolitischen Aufgaben des Eurosystems.

Die Bundesbank übernimmt in Deutschland maßgebliche Aufgaben im Rahmen der Bankenaufsicht und trägt damit zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der deutschen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sowie zur Stabilität des Finanzsystems bei. Die Anforderungen an die laufende Überwachung von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten haben sich auf Grund der neuen Eigenkapitalrichtlinien (Basel II) sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht stark erhöht. Über die laufende Vor-Ort-Aufsicht hinaus ist die Bundesbank auch für die Auswertung von bankaufsichtlichen Meldungen und Prüfungsberichten verantwortlich und fungiert als Evidenzzentrale für Millionenkredite. Außerdem wirkt die Bundesbank bei der Weiterentwicklung der bankenaufsichtlichen Vorschriften mit, um stabilitätsorientierte regulatorische Rahmenbedingungen zu gewährleisten.”
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