Vom fiktiven Preis zur echten Leistung?

Die ING-Diba streicht die Überschreitungszinsen auf dem Girokonto und verkauft keine Restschuldversicherung mit versteckten Provisionen. Easy Credit startet eine Kampagne für einen fairen Kredit, für den verbindliche Kriterien entwickelt werden, die Targobank verspricht einen „neuen Weg des einfachen, klaren Bankings und der Kundenbetreuung auf Augenhöhe”. Bei der Commerzbank soll der Kunde in den Mittelpunkt rücken. Man habe aus der Krise gelernt. Zwar gibt es auch Rückschläge wie bei der Deutschen Bank, die ohne Aufsehen die Vorfälligkeitsentschädigungsberechnung zur Aktiv-Passiv-Methode hin verschlechtert hat. Viele Banken haben aber angetrieben von einigen Urteilen der Gerichte die Bearbeitungsgebühren, bei denen unabhängig vom Aufwand je nach Bank dieselbe Bearbeitung eine Gebühr von 0 bis 6% des Finanzierungsbetrags kosten sollte, abgeschafft. Das Disagio, die andere Art Zinsen zu verstecken, gibt es nicht mehr, nachdem die Rechtsprechung sie noch frühzeitig als Zinsen anerkannte und die Steuergesetzgebung ihre Absetzbarkeit als Erstellungskosten im Bau ablehnte. Die Phalanx beim Betrug mit der Restschuldversicherung, die man im voraus bezahlen muss und wo sich die Banken aus der Prämie die „Provision” holen, wackelt, nachdem sie in England verboten wurde und eigentlich, was viele Banken nach wie vor ignorieren, offen gelegt werden müsste. Beim risikoadjustierten Preis ist der Markt gespalten. Die Diskriminierung ärmerer Kunden mit dem Argument, egal wie zahlungsfähig und willig sie seien, sie allein hätten die Risiken aller ärmeren Kunden zu tragen, nutzen zwar noch einige Groß- und Spezialbanken. Eine steigende Zahl kehrt jedoch zum fairen und offenen Preis zurück, bei dem der Kunden nicht mit „ab 4% p.a.” in einen Hochzinskredit gedrängt wird, dessen wirklicher Preis von 16% erst aufgedeckt wird, wenn alle Formalitäten erledigt sind.

Die bleierne Zeit

Fast 30 Jahre lang haben Deutsche Banken teilweise auch Sparkassen in unterschiedlichem Ausmaß den Verbraucherkredit dazu missbraucht, Zinsen zu verstecken und die Not beim Zahlungsverzug mit teuren Umschuldungen oder Zusatzkosten auszubeuten. Die Liste der Gebühren, Überschreitungszinsen, Mahnkosten etc. hat kein Ende. Gesetzgeber und Gerichte wurden dahingehend beeinflusst, dass sie wie die modernen Mondscheinnotare die gängige Praxis als rechtlich einwandfrei beglaubigten: die als Überziehungszinsen getarnten wucherischen Verzugszinsen wurden zu akzeptierten Überschreitungszinsen, der weit überhöhte Schadensersatz für vorzeitige Rückzahlung oder Kündigung bei Hypothekenkrediten wurde zur Vorfälligkeits„entschädigung” und die entschädigungsfreie Entschuldung im Ratenkredit kippte die neue Richtlinie. Der Provisionsbetrug mit Restschuldversicherungen wurde legalisiert, indem der Verbraucher mit dem Kreuzchen „freiwillig” auf alle Rechte inkl. des Wuchers verzichtete. Aus den Kettenkrediten, einst vom Bundesgerichtshof als unzulässige „Ausnutzung einer Notlage” gebrandmarkt, wurden voneinander unabhängige Einzelkredite. Die Wuchergrenze beim doppelten des Üblichen wurde obsolet, nachdem der BGH nach eigenem Eingeständnis mathematisch daran scheiterte, die Hälfte der Restschuldversicherung als Belastung der Verbraucher rechnerisch umzusetzen. Die in Kombiprodukten ausgelagerten Zinsen (Lebensversicherungskredite) sowie die zur Umgehung als Versicherungsprovision getarnten Kreditkosten (kick-back Provisionen)  wurden zu unvergleichlichen einzigartigen Produkten erklärt, die das 16fache der Kosten erklären sollten, auch wenn praktisch nichts anderes als wucherische, permanent erneuerte und dadurch verteuerte im voraus zu bezahlende Prämien einer ordinären Lebensversicherung eingefordert
Die vom Lobbyisten der CSU im Europaparlament durchgepeitschte Konsumentenkreditrichtlinie 2008 hat letztlich allen diesen Entwicklungen ihren Segen gegeben. Das nationale Recht wurde mit dem Maximalharmonisierungsprinzip abgebaut.
Wir brauchen bei diesen Behauptungen nur die Maßstäbe anzulegen, die wir im iff 1985 in dem Bericht an die Bundesregierung und EU-Kommission zu „Ratenkrediten an Konsumenten” angelegt und angeprangert und den Banken weitergereicht haben. Deren politische Macht war damals aber so stark, dass der Bericht offiziell als nicht erstellt behandelt wurde und durch einen allgemein gehaltenen zweiten Forschungsbericht (Neue Formen der Verbraucherrechtsberatung) ersetzt werden musste. Doch die Verantwortlichen im Bundesministerium der Justiz nannten ihn hinter vorgehaltener Hand schon damals ein „Geschenk des Himmels”, weil sie dadurch das Verbraucherkreditgesetz vom 17.Dezember 1990 vorbereiten konnten. Es wurde eines der kürzesten und effektivsten Gesetze der Welt in diesem Bereich. Die Rot-Grüne Koalition hob es mit ihrer BGB Reform 2002 auf. Der Wind hatte sich gedreht, der 11. Bankensenat beim Bundesgerichtshof unter Gerd Nobbe war das Fähnchen.

Leistung muss ich lohnen – auch für Banken

Merken die Banken jetzt, dass nicht alles, was ihre Verbände in Brüssel „erreicht” haben, ihnen auch wirklich nützt? Wo mit dem gesenkten Zinsspread keine Gewinne mehr erzielt werden können, geht es Leistung, die sich lohnen könnte. Man kehrt zur Marktwirtschaft und ihrem Leistungswettbewerb zurück.

Die verdummende Werbung mit dem niedrigsten (regelmäßig willkürlich berechneten) Zinssatz, den leider bis heute auch die Testzeitschriften und Internetvergleiche zum Ranking benutzen, weicht bei einigen der Einsicht, dass der Kunde keinen fertigen Kredit (möglichst billig) „einkauft” sondern sein Leben über Jahre an die Dienstleistung einer Bank bindet, die ihm bei allen Widrigkeiten helfen soll, seine Liquidität aufrecht zu erhalten. Er muss ihr Vertrauen können, sie muss beweisen, dass sie der Wert ist und sie sollte so kreativ sein, dass man ihr die Hilfe auch glauben kann. In den Prinzipien zur verantwortlichen Kreditvergabe (www.verantwortliche-kreditvergabe.net), die auch der G20 Gipfel zur Finanzkrise aufnahm, hat das iff weltweit mit Partnern auf dieses Qualitätserfordernis früh hingewiesen. Es scheint, als ob angetrieben durch die Niedrigzinsphase, in der 0% Refinanzierungskosten die recht hohen Zinsen im Konsumkredit bloßstellen, man sich auf Qualität besinnt. Auch die Verbraucher scheinen aus der Krise und letztlich wieder Prokon gelernt zu haben, dass niedrige Zinsen ebenso wie hohe Renditen auch hohe Risiken für die Zukunft bergen.

Verbraucherverbände sind die Katalysatoren

Die Verbraucherverbände sollten auf diesen Zug aufspringen und aus ihren Infotheken die bloßen Preisvergleiche verbannen. Der Kriterienkatalog des iff schafft die Möglichkeit, die Beratung jetzt auch im Konsumkredit rationaler zu gestalten. Der Schritt der ING-Diba ist ein gutes Beispiel. Zunächst kennt die Presse, wie das angehängte Beispiel zeigt, nicht einmal den begrifflichen Unterschied zwischen Überziehungs- und Überschreitungszinsen. Auch das Erreichte ist keineswegs revolutionär. Die Rechtsprechung hatte ja vor ihrem Einbruch in den 1990ziger Jahren die Überschreitung des Limits unter den Schutz der Verzugszinsen gestellt. Nur wenn die ING-Diba bei der Überschreitung auch das Limit entsprechend anhebt, würde sie dieses Ziel wieder erreichen, weil gemahnte Verbraucher nicht mit den Zinsen vertragstreuer Kunden bedacht werden dürfen. Doch der Anfang ist gemacht und Unzufriedenheit ist das Los des Verbraucherschutzes.

Banken müssen zudem insgesamt bewertet werden. Zwar sollten man nach wie keins ihrer Angebote direkt empfehlen. (Man bekommt immer nur seine äußere Hülle nicht aber sein funktionieren im Einzelfall zu Gesicht.) Man kann aber eine Meinung über eine Bank an sich haben, ihr Bemühen, ihre Geschichte und mit der sollte man bei den verhaltensorientierten Einstellungen der Verbraucher nicht hinter dem Berg halten. Natürlich steht im Vordergrund nach wie vor die Anprangerung der schlechten Banken, der falschen Kredite und des ausbeuterischen Verhaltens. Doch wenn sich Leistung lohnen soll, kann man wohl kaum noch alle Banken über einen Kamm scheren. Nicht eine Bank sondern eine schlechte Kreditdienstleistung ist der Feind.

Auf der iff-Konferenz am 21./22. Mai 2014 ist Gelegenheit zur Diskussion. Ein Panel beschäftigt sich mit den Folgen der Niedrigzinsphase für Sparen und Kredit. Ein anderer wird die Liquiditätssicherung für Massenkunden behandeln, bei dem ausländische Versicherer neue Ideen mitbringen. Wenn dann im Vorfeld von einer Lobbyorganisation der Finanzbranche angemerkt wird, das Programm sei ihnen zu aggressiv um mitzumachen, so kann man nur empfehlen, noch einmal bei Adam Smith nachzulesen, was Wettbewerb bedeutet und warum niemand von den Banken erwartet, dass sie ihr Geschäft aus moralischen Gründen betreiben, dass aber umgekehrt die Verbraucher Moral und gute Sitten als Maßstab benutzen, um den Banken ihre Zinsen zu schenken, die sie dafür für würdig halten. Kundenwürdige Banken sind dann das Pendant zum kreditwürdigen Kunden. Die alte Kommunikation über den niedrigsten Preis, bei der Moral und gute Sitten keinen Platz hatten, ist überholt und wer sie einfordert will auch das dazugehörige System beibehalten. Der Wettstreit um die beste Leistung sollte beginnen.

Doch Vorsicht. Wir erwarten dies nicht von der Gemeinwohlorientierung sondern vom Gewinnstreben. Deshalb ist das Argument in der Branche, die sauberen Banken könnten sich ihre Sauberkeit nur deshalb leisten, weil sie ganze Bevölkerungsschichten ausschlössen. Ob dies stimmt wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass eine Bank, die früher besonders unsauber handelte, als Selbständigen von der Kreditvergabe ausschloss. Weltweit hat unsere Konferenz 2000 über den Zugang zu Finanzdienstleistungen gezeigt, dass die größte Diskriminierung schwacher Kunden gerade in den Ländern mit den schlechtesten Produkten erfolgte. Das hat sich für England und die USA nicht geändert. Ihr Wettbewerb ist kein Vorbild.

Aber: Vorsicht vor dem Rosinenpicken

Doch die Verbraucherverbände sollten in Beratung und Pressearbeit berücksichtigen, dass zu einer verbraucherfreundlichen Bank auch der Wille gehört, alle Menschen ihrer Region mit angemessenen Finanzdienstleistungen gleich zu versorgen. Es ist, wie wir an den Alternativbanken allzu deutlich sehen, eine wohlfeile Methode, sich die problemfreie Kundschaft zu sichern, indem man diesen auch noch das Bewusstsein von Moralität und Menschenfreundlichkeit vermittelt, ohne dass es etwas kostet, weil in solcher Kundschaft der Beweis nicht geführt werden kann.

Wenn also die soziale Orientierung Gruppen einschließen muss, die die Kosten in die Höhe treiben, so sollten diese Banken und Sparkassen versuchen, die dadurch notwendige Umlage den besser gestellten Kunden zu erklären und ihnen evtl. sogar die Chance bieten, sich bewusst mit einer Art regionalem Solidaritätszuschlag daran zu beteiligen. Die amerikanische Community Reinvestment Gesetzgebung hat es immerhin geschafft, dass sich die öffentliche Hand von Banken distanzierte, die nichts für ihre Region taten sondern die Rosinen aus dem Kuchen pickte. (UR)